So sollen Europas Straßen sicherer werden

Brüssel. Zusammenstöße soll es in zehn Jahren kaum noch geben. Neue elektronische Systeme an Bord verhindern Kollisionen. Der Fahrer wird auch nicht mehr die Gewalt über seinen Wagen verlieren, eine neue automatische Regelung des Fahrverhaltens stabilisiert jedes Gefährt

Brüssel. Zusammenstöße soll es in zehn Jahren kaum noch geben. Neue elektronische Systeme an Bord verhindern Kollisionen. Der Fahrer wird auch nicht mehr die Gewalt über seinen Wagen verlieren, eine neue automatische Regelung des Fahrverhaltens stabilisiert jedes Gefährt. Gurte müssen angelegt sein, um den Motor zu starten, und neben den Lastwagen werden auch leichte Sprinter mit Geschwindigkeitsbegrenzern ausgerüstet.Das ist keine Vision, sondern das ehrgeizige Programm der EU-Kommission für die Jahre 2011 bis 2020, das gestern in Brüssel vorgestellt wurde. 35 000 Menschen sterben noch immer pro Jahr auf den Straßen der Europäischen Union. Auf jeden tödlichen Unfall kommen vier weitere, die zu bleibenden Behinderungen führen, zehn schwere und 40 leichte Verletzungen. Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden beläuft sich auf 130 Milliarden Euro. "Zu viel", befand Verkehrskommissar Siim Kallas. Die EU-Kommission will die Zahl der Verkehrstoten in Europa in den nächsten zehn Jahren halbieren. Zu dem Programm gehört auch eine Verschärfung der technischen Kfz-Überwachung. Die Tüv-Anforderungen sollen "auf dem höchstmöglichen Niveau" europaweit vereinheitlicht werden, sodass sie künftig auch von den Mitgliedstaaten gegenseitig anerkannt werden. Staus und volle Straßen will Brüssel durch Kommunikation unter den Fahrzeugen verhindern, sodass jedes Auto allen anderen Informationen über fließenden Verkehr oder verstopfte Routen gibt. Sicherheitstrainings werden verschärft, die Fahrlehrer-Ausbildung reformiert. Künftig wird jeder lernen, wie man einen Wagen ökologisch korrekt und energiesparend fährt. Führerschein-Neulinge dürfen wohl ab 2020 grundsätzlich - wie bisher beim "Schein auf Probe" - drei Monate lang nur dann ein Auto lenken, wenn ein erfahrener Führerschein-Besitzer daneben sitzt. Auch für Motorräder und deren Besitzer hat Brüssel einiges vor. Automatisches Einschalten der Scheinwerfer, neue Bremsanlagen, Geschwindigkeitsbremser, die nicht entfernt werden können, sind nur einige Punkte. Beim Bau neuer und beim Umbau bestehender Straßen sollen künftige Sicherheitsstandards berücksichtigt werden müssen. Das Geld dafür spendiert die EU aus dem Fonds für transnationale Netze. So sollen Unfallschwerpunkte möglichst zügig entschärft und die Sicherheitsbestimmungen für Autobahnen auch auf Landstraßen ausgeweitet werden.Sogenannte Black Boxes, wie sie in der Luftfahrt verwandt werden, könnten nach Vorstellung der EU-Kommission auch in gewerblich genutzten Fahrzeugen zum Einsatz kommen. Mit den aufgezeichneten Daten ließen sich Unfälle besser rekonstruieren und so künftige Risiken erkennen. Das Programm wird die bestehenden Projekte wie beispielsweise "esafe" (bei einem Unfall wird automatisch die nächste Rettungsleitstelle benachrichtigt) ergänzen. Allerdings sind die Mitgliedstaaten da weit hinter dem Zeitplan zurück. Eigentlich sollte der selbstständige Notruf schon 2012 überall zumindest technisch möglich sein. Bis heute aber streiten sich die Beteiligten vor Ort über die Frage, wer die Kosten für die digitale Umrüstung der Rettungsleitstellen übernehmen soll. Kein gutes Omen für das aufwendige Programm, das Brüssel gestern vorgelegt hat. Meinung

Entscheidend sind Kontrollen

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes Sicherheit auf den Straßen ist nicht nur ein technisches Problem. Natürlich können Anti-Kollisions- und elektronische Sicherheitssysteme helfen, Unfälle zu vermeiden oder wenigstens nicht ganz so heftig ausfallen zu lassen. Aber in der Mehrzahl der Fälle lassen sich die Ursachen auf menschliches Versagen zurückführen. Und da bleibt die Frage, ob sicherere Autos nicht am Ende sogar zu noch mehr Leichtsinn hinterm Steuer führen. Deshalb werden alle guten Absichten der Kommission zwar helfen, aber entscheidend wird die Dichte der Kontrollen sein, mit der die Einhaltung überwacht wird. Ganz zu schweigen von der Frage, wie man sich vor Fahrzeugen aus dem Nicht-EU-Bereich schützt, die oft genug weit von den hiesigen Sicherheitsstandards entfernt sind. Das Programm der Kommission ist gut, aber nicht scharf genug.

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