Singende Weicheier und eine E-Mail von Obama

Berlin. Am 24. Juli war der künftige US-Präsident in Berlin, und wir hatten uns für seine Rede an der Siegessäule akkreditiert. Seitdem werden wir mit Mails bombardiert. In der Nacht seines Wahlsieges schickte uns Barack Obama sogar eine persönliche Nachricht, in der er uns mit Vornamen anredete. Er sei gerade auf dem Weg zur großen Siegeskundgebung in Chicago und denke an uns

 Wenn wir singen Seit' an Seit': Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier bewiesen im Oktober beim Sonderparteitag der SPD ihre kraftvollen Stimmen. Foto: dpa

Wenn wir singen Seit' an Seit': Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier bewiesen im Oktober beim Sonderparteitag der SPD ihre kraftvollen Stimmen. Foto: dpa

Berlin. Am 24. Juli war der künftige US-Präsident in Berlin, und wir hatten uns für seine Rede an der Siegessäule akkreditiert. Seitdem werden wir mit Mails bombardiert. In der Nacht seines Wahlsieges schickte uns Barack Obama sogar eine persönliche Nachricht, in der er uns mit Vornamen anredete. Er sei gerade auf dem Weg zur großen Siegeskundgebung in Chicago und denke an uns. Er wolle sich für unsere Hilfe bedanken, ohne die er nicht gewonnen hätte.

Wir haben auch gleich geantwortet, keine Ursache und so, und um eines der angebotenen Sieger-T-Shirts gebeten. Das sollte 30 Dollar kosten, aber leider können es nur US-Bürger erwerben, denn es handelt sich um eine Spende, und Ausländer dürfen amerikanische Politiker nicht kaufen, sondern nur Amerikaner. Die ablehnende Mail kam automatisiert und enthielt den Hinweis, dass wir uns stattdessen aber an Obamas Regierungsprogramm beteiligen könnten. Das taten wir und regten an, der neue Präsident möge doch bitte die Welt retten, aber wieder kam eine automatisierte Antwort. Leider könne man nicht auf jede einzelne Mail eingehen. Pech für die Welt.

Kurt Beck hatte die Nase voll von all den Intriganten in seiner Partei und von der bösen Presse, als er am 7. September den SPD-Vorsitz hinschmiss. Und daran waren wir nicht unbeteiligt. Am 18. Juni war's, auf der Wasserburg Reipoltskirchen in Rheinland-Pfalz. Beck hatte die Meute, die ihn jagte, die Berliner Journalisten, dort zum Speisen eingeladen. Und die Kollegen langten ordentlich zu. Dass er schon tot sei, es nur noch nicht wisse, meinte einer der Angereisten gleich morgens im Radio. Der SPD-Chef diskutierte an einem der Tische darüber heftig, kritisierte die Medien, behielt aber noch die Beherrschung. Als wir dazu traten und eher harmlos fragten, ob denn nicht auch der innere Zustand der SPD mit Schuld sei an der Lage, platzte der Ballon. Sein Wort vom "Vernichtungsfeldzug" machte Schlagzeilen. "Bitte, nehmen Sie es doch nicht persönlich", stotterten wir noch erschrocken. Nahm er aber.

Zu Becks Nachfolger wurde am 18. Oktober sein Vorvorgänger bestimmt: Franz Müntefering. Beim Sonderparteitag im Estrel-Hotel der Hauptstadt schmetterte Müntefering mit kraftvoller Stimme das alte Parteilied von der neuen Zeit, derweil der gerade zum Kanzlerkandidaten ernannte Frank-Walter Steinmeier noch vom Blatt absingen musste. Damit war für uns auch klar, wer Koch ist bei der SPD und wer Kellner. Ohnehin eilt Müntefering der Ruf des Basta-Vorsitzenden voraus. Diesen Eindruck suchte der neue Chef allerdings uns gegenüber mit einer Anekdote zu zerstreuen: Wir könnten ja mal seine beiden Töchter fragen, ob er autoritär sei. "Schallendes Gelächter" werde die Antwort sein. In seiner Familie gelte er als "absolutes Weichei".

Einen aufgekratzten Bundespräsidenten erlebten wir am 16. Oktober im Schloss Bellevue. Horst Köhler redete wie ein Wasserfall, denn die Finanzkrise war ausgebrochen. Und da kennt sich kaum einer besser aus als er, war er doch zuvor Chef des Internationalen Währungsfonds. Sein Vortrag war höchst sachkundig. Auffällig war nur, dass Köhler so viele alte Zitate von sich selbst parat hatte. Normalerweise erinnert man sich ja nicht präzise an das, was man vor zehn Jahren gesagt hat. Offenbar hatte der Präsident kräftig in den Archiven graben lassen, um zu beweisen, dass er nie und nimmer ein Neoliberaler war und schon immer vor den "Monstern" an den Finanzmärkten gewarnt hatte.

Erwin Huber hätte wissen können, dass es mit ihm und der CSU bergab gehen würde. Am 12. September landeten wir auf dem Münchner Flughafen. Von dort aus wollten wir Huber in seinem Wahlkampfbus begleiten, also warteten wir artig - ganz allein. Gerade, als der Bus um die Ecke bog, gesellte sich noch ein Kollege dazu, ansonsten herrschte große Journalisten-Flaute. Damals war uns klar: Der Mann wird's für die CSU nicht mehr wuppen. Beim Straßenwahlkampf wurde das auch deutlich: Da fragte eine Rentnerin, warum im Radio so viel Englisch zu hören sei. Hubers Antwort: Er habe den Verantwortlichen schon gesagt, "ihr müsst mehr deutsche Songs spielen." Songs also. Songs gehören ins Grundgesetz. Und Huber jetzt auf die Hinterbank.

Angela Merkel, die Klimakanzlerin, die Krisenmanagerin. In diesem Jahr stolperte sie von einem Gipfel zum anderen. Und durch Sandkisten. Es war der 21. August, und wir standen mit ihr im Sand. Im Kindergarten hatten sie extra ein Bild von ihr aufgehängt. Einer der kleinen überlegte kurz und sagte dann: "Das ist die Chefin von den Deutschen." Richtig so, jetzt weiß man, wofür frühkindliche Bildung gut ist. Werner Kolhoff, Hagen Strauss, Stefan Vetter

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