Sie vertragen sich wieder

Berlin/Ankara · Das deutsch-türkische Verhältnis kommt wieder ins Lot – nach altbewährter Methode: Eine Hand wäscht die andere. Erst macht Kanzlerin Merkel im Völkermord-Streit ein Zugeständnis, nun wohl Präsident Erdogan.

 Kanzlerin Merkel und Präsident Erdogan beendeten in China ihren Dauer-Streit – fürs Erste. Foto: dpa

Kanzlerin Merkel und Präsident Erdogan beendeten in China ihren Dauer-Streit – fürs Erste. Foto: dpa

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Der monatelange Streit über ein Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete bei deutschen Soldaten im türkischen Incirlik ist so gut wie beigelegt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) sagte gestern nach einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beim G20-Treffen in Hangzhou, sie rechne in den nächsten Tagen mit "positiven Nachrichten" in dieser Frage. Vorausgegangen war ein Zugeständnis Merkels an Erdogan: Sie hatte am Freitag die Völkermord-Resolution des Bundestags zu den Armeniern im Osmanischen Reich für rechtlich nicht bindend erklärt.

Einen solchen Schritt hatte Erdogan zur Bedingung für ein Einlenken im Incirlik-Streit gemacht. Verhängt worden war das Besuchsverbot im Juni nach dem Bundestagsbeschluss, der das Vorgehen der Osmanen gegen die Armenier vor mehr als 100 Jahren als Völkermord einstufte. Beim Nato-Gipfel im Juli scheiterte ein Einigungsversuch Merkels und Erdogans noch.

Nun kann der für 4. bis 6. Oktober geplante Besuch von Vertretern aller Fraktionen im Verteidigungsausschuss des Bundestags voraussichtlich stattfinden. Auf der Luftwaffenbasis in Incirlik sind mehr als 200 Soldaten sowie sechs "Tornado"-Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug stationiert. Sie unterstützen den Kampf gegen den IS. Die Abgeordneten-Reise dorthin ist seit Wochen geplant. Neben dem Besuch in Incirlik sind politische Gespräche in Ankara und ein Besuch des Nato-Kommandos für die Landstreitkräfte in Izmir vorgesehen. Mit der absehbaren Einigung in dem deutsch-türkischen Streit wäre auch der Weg für die Beteiligung der Bundeswehr bei Nato-Aufklärungsflügen über Syrien und dem Irak frei. Die Awacs-Maschinen sollen nämlich auch von der Türkei aus starten, wahrscheinlich von Konya. Sie sind in der Regel zu einem Drittel mit deutschen Soldaten besetzt. Das Kabinett soll nach "Bild"-Informationen im Oktober einen Mandatstext beschließen, dann entscheidet der Bundestag. Unter den neuen Voraussetzungen dürfte die Zustimmung sicher sein.

Auch bei der ins Stocken geratenen Umsetzung des Flüchtlingsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Türkei gibt es Bewegung. Sie sehe "die Möglichkeit eines positiven Ausgangs", sagte Merkel. Das werde allerdings wohl noch etliche Wochen dauern. Die EU will den Türken nur Visafreiheit gewähren, wenn Ankara seine umstrittenen Anti-Terrorgesetze entschärft.

Zum Thema:

Hintergrund Knapp 30 000 Kurden haben am Samstag und damit fünf Wochen nach einer Pro-Erdogan-Demo in Köln auf dem gleichen Gelände gegen den türkischen Präsidenten protestiert. Friedlich forderten sie die Freilassung von Abdullah Öcalan , den Chef der in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK), und kritisierten den Staatschef für seinen Politik in der Türkei. Einen Tag später demonstrierten, ebenfalls in Köln, 50 Anhänger der rechtsextremistischen Partei Pro NRW gegen Erdogan. dpa

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