Sicher ist Spielzeug noch lange nicht "Die Sicherheit der Kinder muss Priorität haben"

Brüssel. Das kleine Spielzeug-Kätzchen entpuppte sich nicht nur als süß, sondern auch als giftig. Schon wenige Tage, nachdem der Artikel vor kurzem in die Regale kam, räumten ihn die Prüfer der örtlichen Marktaufsicht in ganz Europa wieder aus. Das Produkt verstieß gegen die neue Spielzeug-Richtlinie der EU. Die tritt zwar erst im Juli dieses Jahres offiziell in Kraft

Brüssel. Das kleine Spielzeug-Kätzchen entpuppte sich nicht nur als süß, sondern auch als giftig. Schon wenige Tage, nachdem der Artikel vor kurzem in die Regale kam, räumten ihn die Prüfer der örtlichen Marktaufsicht in ganz Europa wieder aus. Das Produkt verstieß gegen die neue Spielzeug-Richtlinie der EU. Die tritt zwar erst im Juli dieses Jahres offiziell in Kraft. Gestern aber endete die erste wichtige Frist: Alle Mitgliedstaaten mussten das neue Regelwerk in nationales Recht übernommen haben.

Das hat auch Deutschland getan - allerdings mit erheblichen Bedenken. "Weitere Verbesserungen sind angestrebt", heißt es in einer Stellungnahme der Bundesregierung zu dem neuen Regelwerk. Soll heißen: Die Vorschriften reichen vorne und hinten nicht aus. Deshalb verweigerte die Bundesrepublik dem EU-Gesetz auch die Zustimmung. In Kraft tritt es trotzdem. Die bisherigen Höchstmarken für Arsen und Blei werden angehoben. Bei den so genannten PAKs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) drängt selbst Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) auf schärfere Grenzwerte, konnte sich aber in Brüssel nicht durchsetzen. Härtere nationale Auflagen lehnte der Bundestag ab: "Im Alleingang" bringe das gar nichts, hieß es bei der Debatte im Parlament. Dass es Handlungsbedarf gibt, ist unbestritten. 115 Beanstandungen notierten die örtlichen Prüfer allein 2010 in der Bundesrepublik. Europaweit löste die Kommission 424 Mal das Rapex-Informationssystem aus, mit dem sich die EU-Staaten untereinander vor riskanten Spielzeug-Produkten warnen.

Das Europäische Parlament hat inzwischen die EU-Kommission aufgefordert, die "neue Spielzeug-Richtlinie noch einmal nachzubessern und die Grenzwerte entsprechend dem aktuellen Stand der Wissenschaft erneut zu verschärfen", bestätigt der CSU-Europa-Abgeordnete Markus Ferber. Doch müssten auch die Einfuhrkontrollen weiter verschärft werden. Nach Angaben der Kommission stammt die Mehrzahl der gefährlichen Artikel aus chinesischer Produktion.

Vor diesem Hintergrund hatte Deutschland bei der Beratung darauf gedrängt, dass die bekannten Gütesiegel wie das europäische "CE"-Signet nur noch vergeben werden, wenn ein Produkt durch eine unabhängige Instanz wie beispielsweise den Tüv geprüft wurde. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten lehnte ab. Deshalb bleibt es dabei, dass die "Hersteller die harmonisierten Normen selbst anwenden" und dann das Prüfzeichen aufdrucken dürfen.

Diese sogenannte Konformitätsbewertung wird nicht oder bestenfalls lückenhaft kontrolliert. Hinzu kommt die Tatsache, dass die neue Richtlinie teilweise extrem lange Übergangsfristen für Neuregelungen enthält. So treten die Auflagen für chemische Bestandteile sogar erst am 20. Juli 2013 in Kraft. Deutschland will die Zeit nutzen, um bis dahin für Blei, Barium, Arsen, Antimon und Quecksilber niedrigere Grenzwerte durchzusetzen. Macht die neue EU-Richtlinie Spielzeug wirklich sicherer?

Ehrnsperger: Nicht generell. Die Richtlinie hat Schwächen, besonders, wenn es um chemische Belastung geht. Die Grenzwerte für sogenannte CMR-Stoffe sind viel zu hoch. Das sind zum Beispiel Stoffe, die krebserregend oder fortpflanzungsgefährdend sind. Auch die Grenzwerte für bestimmte allergene Duftstoffe und Schwermetalle sind zu hoch. Der für Blei wurde sogar erhöht. Hier muss nachgebessert werden.

Ein Teil der Richtlinie tritt im Juli dieses Jahres in Kraft. Der Teil, in dem es um chemische Schadstoffe geht, aber erst 2013. Ist das nicht kontraproduktiv?

Ehrnsperger: Die Übergangszeit ist durchaus sinnvoll. Denn die Prüfmethoden müssen erst entsprechend der neuen Vorgaben überarbeitet oder sogar neu erarbeitet werden. Außerdem bleibt so bis 2013 die Zeit, Verbesserungen vorzunehmen.

Glauben Sie, dass sich da etwas tun wird?

Ehrnsperger: Da bin ich zuversichtlich. Gerade die Grenzwerte für Schadstoffe sind bereits seit Beschluss der Richtlinie in der Diskussion. Der Druck der Parteien ist groß. Deutschland hat zum Beispiel den Antrag gestellt, den Grenzwert für krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, sogenannte PAKs, drastisch zu senken.

Würden Sie unabhängige Kontrollen durch Dritte begrüßen?

Ehrnsperger: Ja. Das europäische Gütesiegel CE wird vom Hersteller selbst angebracht. Es wäre also sehr sinnvoll, wenn es auch unabhängige Kontrollen gäbe. Das Argument, diese Tests seien zu teuer, kann nicht gelten. Die Sicherheit der Kinder muss Priorität haben. Es kommen viel zu viele Spielzeuge auf den Markt, die nicht sicher genug sind, weil sie schädliche Stoffe enthalten oder verschluckbare Teile.

Können deutsche Verbraucher etwas beruhigter sein, wenn auf dem Spielzeug zusätzlich nationale Gütesiegel wie etwa GS angebracht sind?

Ehrnsperger: Nicht zwangsläufig. Zum einen tragen etwa das GS-Zeichen nur sehr wenige Spielsachen. Zum anderen sind oft selbst Produkte, die das Siegel haben, nicht sicher. Bei unserem letzten Test hielten nur sieben von 50 Spielsachen die gesetzlichen Vorgaben ein.

Meinung

Für die Kleinen nur das Beste?

Von SZ-Korrespondent

Detlef Drewes

Für die Kleinen nur das Beste: Dieses Versprechen wurde schon bei den Beratungen zur neuen Spielzeug-Richtlinie gebrochen. Ein gründlicher Test für jedes Produkt durch eine unabhängige Instanz hätte die Preise explodieren lassen, argumentierte die Branche damals. Experten hielten dagegen - und verloren. Deshalb ist das, was ab Juli bei allen Produkten umgesetzt werden muss, keine Lösung. Und da sich nationale Alleingänge wegen des EU-Marktes verbieten, müssen Omas, Opas, Vatis und Muttis, die dem Nachwuchs etwas zum Spielen kaufen wollen, wohl oder übel auf die zusätzlichen deutschen Qualitätssiegel vertrauen. Das ist kein jedoch Trost, vor allem für unsere Nachbarn nicht.

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