Krise in der Ostukraine Separatisten rufen „Kleinrussland“ aus

Kiew/Donezk · Gezielte Eskalation? Die Aufständischen in der Ostukraine proklamieren einseitig die Gründung eines neuen Staates.

 Ostukraine

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Foto: SZ/Astrid müller

Die prorussischen Separatisten haben im Kriegsgebiet Ostukraine die Gründung des neuen Staates „Kleinrussland“ ausgerufen. Die Aufständischen in der Großstadt Donezk erklärten gestern, die frühere Ukraine sei nicht wieder herzustellen. Deswegen rief Separatistenführer Alexander Sachart­schenko einseitig den neuen Staat „Kleinrussland“ (Malorossija) aus. Russland und die Bundesregierung kritisierten den Schritt als Verstoß gegen den Minsker Friedensplan. Selbst die verbündeten Separatisten in Lugansk lehnten das Projekt ab.

Die Idee eines eigenen Staates in der Ostukraine ist nicht neu: Teile des Donbass stehen seit April 2014 unter Kontrolle der von Moskau unterstützten Aufständischen. Anfänglich wollten diese einen Staat „Neurussland“ schaffen, bestehend aus Gebieten des Südens und Ostens der Ukraine. Mehrfach erklärten sie den Anschluss an Russland zum Ziel – nach dem Vorbild der 2014 annektierten Halbinsel Krim. Der Kreml lehnte dies jedoch ab.

„Wir gehen davon aus, dass die Donezker Volksrepublik und die Lugansker Volksrepublik gemeinsam die einzigen Territorien der Ukraine sind, die Krim nicht mitgerechnet, in denen eine gesetzliche Regierung gewahrt wurde“, sagte Sachartschenko. Der neue Staat soll demnach die ganze Ukraine umfassen, aber ohne die Krim. Zudem solle für drei Jahre der Ausnahmezustand in den von Kiew abtrünnigen Gebieten ausgerufen werden. Dieser sieht ein Verbot von Parteien vor.

Die mit Donezk verbündeten Separatisten in Lugansk reagierten überrascht. „Dieses Projekt wurde nicht mit uns besprochen“, sagte ihr Anführer Igor Plotnizki.

Kämpferisch gab sich indes die prowestliche Führung in Kiew. „Die Ukraine wird die Souveränität über den Donbass und die Krim wieder herstellen“, sagte Präsident Petro Poroschenko. „Sachartschenko ist keine politische Figur, sondern eine Marionette.“ Er warf Russland vor, durch seine Unterstützung für die Separatisten die Ukraine zu spalten, und forderte schärfere westliche Sanktionen gegen Moskau.

Der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow kritisierte, der Vorstoß widerspreche der Logik des Minsker Friedensplans. Die Zeitung „RBK“ meldete unter Berufung auf zwei Mitarbeiter des Kremls, der Schritt sei nicht mit Moskau abgesprochen worden. „Das ist eine persönliche Initiative von Sachartschenko und seinen Vertrauten“, hieß es.

Die Bundesregierung verurteilte den Schritt als „völlig inakzeptabel“. Deutschland erwarte, dass Russland dies weder respektiere noch anerkenne, sagte ein Regierungssprecher. Die Osteuropa-Politikerin Marieluise Beck von den Grünen wertete die Initiative als Absage an das Minsker Abkommen. Zudem sei Kritik aus Moskau unglaubwürdig, „denn das Regime im Donbass ist vollständig von der militärischen und finanziellen Unterstützung des Kremls abhängig“ und erhalte Weisungen aus Moskau. Russland dementiert dies. Eigentlich sieht der Minsker Plan vor, dem Donbass als Teil der Ukraine mehr Autonomie einzuräumen. Doch die Umsetzung kommt nicht voran. UN-Angaben zufolge wurden bei Kämpfen zwischen Separatisten und Regierungstruppen bereits mehr als 10 000 Menschen getötet.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berichtete von einer Zunahme der Kämpfe in der vergangenen Woche.

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