Seilschaft der Ehemaligen

Berlin · Die Männer des Andenpaktes wollten einst die politische Macht in Deutschland erobern. Das funktionierte nur bedingt. Jetzt traf sich der Männerbund um Peter Müller und Christian Wulff in Berlin – in geheimer Mission.

 Die Männer des „Andenpakts" der Union: (Im Uhrzeigersinn von oben) Peter Müller, Friedrich Merz, Hans-Gert Pöttering, Roland Koch, Franz Josef Jung, Christian Wulff, Volker Bouffier und Günther Oettinger. Fotos: Fotolia, dpa (8), Illustration: Lorenz

Die Männer des „Andenpakts" der Union: (Im Uhrzeigersinn von oben) Peter Müller, Friedrich Merz, Hans-Gert Pöttering, Roland Koch, Franz Josef Jung, Christian Wulff, Volker Bouffier und Günther Oettinger. Fotos: Fotolia, dpa (8), Illustration: Lorenz

Auf den Fotos sieht man viele "Ex": Einen ehemaligen Bundespräsidenten (Christian Wulff), einen früheren Präsidenten des EU-Parlaments (Hans-Gert Pöttering), mehrere Ex-Ministerpräsidenten (Peter Müller, Roland Koch, Günther Oettinger) oder einen Ex-Fraktionschef (Friedrich Merz). Dazu ein paar aktive Wirtschaftslobbyisten und einen Bundestagsabgeordneten (Philipp Missfelder) - das ist der sagenumwobene "Andenpakt" der Union. Der 20-köpfige Männerbund soll Sonntagabend in Berlin zu einem "Geheimtreffen" zusammengekommen sein. Doch mächtig sind die Mitglieder längst nicht mehr - es ist ein Pakt der Absteiger geworden.

So vertraulich war die Zusammenkunft im noblen Verbandshaus der Automobilindustrie, dass die "Bild"-Zeitung samt Fotograf anrückte. Ein bisschen PR in eigener Sache bei laufenden Koalitionsverhandlungen kann wohl nicht schaden, mag sich ein alterndes Mitglied gedacht haben. Die Geschichte, die hinter dem Bund steckt, ist die: Auf einem Flug von Caracas nach Santiago de Chile im Juli 1979 sollen sich zwölf Männer aus der Jungen Union, darunter Wulff, Hessens jetziger Ministerpräsident Volker Bouffier, Staatssekretär a.D. Friedbert Pflüger, Oettinger sowie der frühere Verkehrsminister und derzeitige Autolobbyist Matthias Wissmann, in einer Whisky-Laune wechselseitig Unterstützung bei der politischen Karriere versprochen haben. Man verfasste sogar ein Manifest.

Das war die Geburtsstunde des "Andenpakts". Immer wieder wurden daraufhin neue Mitglieder in das CDU-Karrierenetzwerk aufgenommen. Viele schafften es auch in politisch hohe Ämter, doch Kanzler wurde keiner von ihnen. Das gelang nur der größten Konkurrentin der Herrenrunde, Angela Merkel. Auf ihrem Weg nach oben soll der Pakt ihr mehrfach Steine in den Weg gelegt haben. Angeblich gab es sogar im Jahr 2002 ein Treffen mit ihr, um sie von einer Kanzlerkandidatur abzubringen. Doch nach und nach scheiterten die meisten "Andenpaktler" an der Frau aus dem Osten, oder an sich selbst. Zuletzt Christian Wulff, der sich derzeit vor Gericht verantworten muss. Andere wiederum konnten ihre Karriere später nur mit Hilfe Merkels fortsetzen: Oettinger wurde EU-Kommissar in Brüssel, Müller Verfassungsrichter. Oder sie hoffen noch auf einen Job von Merkels Gnaden, wie Missfelder.

Gerade die Union mit ihrem Anspruch, stets Regierungspartei zu sein, scheint anfällig für außerparteiliche Kungelrunden. Während es bei der SPD augenscheinlich nur interne Kreise wie die Seeheimer und die Netzwerker gibt, versuchen sich Unionisten gerne geheimbündlerisch - so wie auch die Herren der "Pizza-Connection". Das waren CDU-Politiker, die sich schon in den 90er Jahren heimlich bei einem Bonner Italiener mit einigen Grünen trafen, darunter Peter Altmaier (heute Umweltminister), Hermann Gröhe (jetzt CDU-Generalsekretär) oder Ronald Pofalla (derzeit Kanzleramtsminister). Anders als die Mitglieder des "Andenpakts" standen sie Merkel stets politisch und persönlich nahe. Bis heute. In Bonn war es zudem noch möglich, sich konspirativ zu treffen. In Berlin mit der medialen Dauerbeobachtung bleibt vieles eben nicht geheim. Außerdem kennen die meisten die Orte für eine gepflegte Kungelei: Man trifft sich am liebsten in Restaurants wie dem "Regierungsitaliener" Il Punto, im Nobel-Lokal Borchardts oder im Café Einstein. Und wenn nicht dort, wird hinterher gewiss ausgeplaudert, wo man mit wem gewesen ist.

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HintergrundDem Andenpakt von Unions-Politikern gehören aus dem Saarland seit Jahrzehnten zwei Politiker an. Neben Peter Müller auch der heutige Saartoto-Chef Peter Jacoby. Der Ex-Finanzminister war am Montag nicht in Berlin, nahm letztmals beim Treffen im Herbst 2012 teil. Inzwischen sei das eine ,,stark Nostalgie-orientierte Runde", bei der persönliche Freundschaften ,,anspruchsvoller Köpfe" gepflegt würden, sagte er gestern der SZ. Sie als heimliches Machtzentrum der Union zu bezeichnen, sei heute ,,übertrieben". Früher aber sei das wohl anders gewesen. ulb

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