Seehofers Pleiten, Pech und Pannen

Von einem CSU-Spitzenamt in Würde abzutreten, ist verdammt schwer. In den letzten Jahrzehnten ist das nach Franz Josef Strauß kaum jemandem gelungen. Die CSU Ministerpräsidenten Max Streibl , Edmund Stoiber und Günther Beckstein , ja auch Theo Waigel als CSU-Chef wurden allesamt durch mehr oder weniger massiven Druck oder Palastrevolten aus den eigenen Reihen zum Abdanken genötigt.

Der amtierende Regierungschef und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer will vermutlich 2018, wenn schon nicht mit Glanz und Gloria, so doch in Würde gehen. Ob das gelingt? Im verflixten siebten Jahr von Seehofers Regentschaft häufen sich Pannen und offene Baustellen. Der CSU-Chef selbst würde das freilich dementieren. In seiner 40-jährigen Zeit als Politiker sei es immer auf und ab gegangen, pflegt Seehofer zu sagen. Und dass er so ein Auf und Ab schon hundertmal erlebt habe. Dafür gelte dasselbe wie für die Opposition im bayerischen Landtag: "Spielt überhaupt keine Rolle."

Dass er sich gegenwärtig in Höchstform befinde, würde aber wohl nicht einmal Seehofer selbst behaupten wollen. Zu zahlreich sind die fremd- und selbst verschuldeten Probleme und Ärgernisse, allen voran die Energiewende. Als Kollateralschaden hat Seehofer auch seine Wunsch-Nachfolgerin Ilse Aigner demontiert und gedemütigt. "Die Ilse ist tief enttäuscht", heißt es in der CSU-Landtagsfraktion . Landtagsabgeordnete sprechen inzwischen von einem regelrechten "Zerwürfnis". "Wenn sie Gas gibt, hat sie alle Möglichkeiten", heißt es aus Seehofers Umgebung.

In der Außenwahrnehmung ist Seehofer seiner angeblichen Lieblings-Kronprinzessin in Sachen Energiewende mehrfach in die Parade gefahren und hat so Finanzminister Markus Söder (CSU ) den Weg zur Macht geebnet. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ) hat die Gunst seines Förderers nicht verloren. Sein Schicksal ist allerdings mit dem Thema Pkw-Maut verbunden, die schon lange kein CSU-Selbstläufer mehr ist und weiterhin auf der Kippe steht. Söder Ministerpräsident, Dobrindt Parteichef - das wäre vielleicht eine Kombination, mit der auch Seehofer leben könnte. Aber wahrscheinlich ist sie nicht.

Zweite Großbaustelle ist das, was bürokratisch als "Bund-Länder-Finanzbeziehungen" bezeichnet wird. Da hat sich Finanzminister Söder früher ganz weit aus dem Fenster gelehnt und vollmundig die Halbierung des bayerischen Beitrags zum Länderfinanzausgleich gefordert, der inzwischen die Fünf-Milliarden-Euro-Grenze überschritten hat. Jetzt ist nur noch von einer Milliarde Euro weniger die Rede. Schwer vorstellbar, dass man aus den Berliner Verhandlungen mit stolz geschwellter Brust zurückkehren könnte. Doch in der CSU-Parteizentrale ist man zuversichtlich: Die nächsten Wochen und Monate würden dem Publikum zeigen, wie sich für Bayern alles zum Guten wende.

Die schwarze Serie für die Schwarzen begann mit der Europawahl im vergangenen Mai, bei der die CSU auf 40,5 Prozent absackte, was die glänzenden Erfolge bei den vorangegangenen Landtags- und Bundestagswahlen ein Stück weit verblassen ließ. Fehler gestand Seehofer in Zusammenhang mit dem ersten Ansturm von Asylbewerbern im vergangenen Jahr ein, die zum Teil im Freien schlafen mussten. Ebenfalls ein "schwerer Fehler" sei es gewesen, sich nicht ausreichend um die Begleitgesetzgebung zum Mindestlohn gekümmert zu haben, musste der CSU-Chef Anfang des Jahres in Kreuth zugeben. Seit Jahresbeginn häufen sich in der Staatskanzlei die Protestbriefe von Unternehmern und Mittelständlern über die dadurch ausgelöste Bürokratie eines Gesetzes, das die CSU in Berlin mit abgesegnet hatte. Und dann fielen auch noch die Münchener Bildungsbürger über den Landesvater her, weil Seehofer sein Versprechen, den Münchenern einen neuen Konzertsaal der Spitzenklasse zu verschaffen, gebrochen habe.

Krise? Tiefpunkt? Götterdämmerung eines treffsicheren Bauchpolitikers? Kronprinzenkiller? Das alles wischt Seehofer vom Tisch wie die alltäglich auf seinen Schreibtisch flatternde derzeit überwiegend unfreundliche Presse: "Mir macht das nichts." Aber seine Körpersprache verrät doch eine gewisse "Überreizung", wie man in der Landtagsfraktion beobachtet hat.

Heute muss Seehofer jedenfalls gut gelaunt sein und eine mitreißende Aufbruchs-Rede auf dem politischen Aschermittwoch der CSU in Passau hinlegen. Immerhin hat er seinen Auftritt in der Dreiländerhalle auf das notwendige Minimum reduziert und lässt neben dem Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber auch den Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europaparlament Manfred Weber länger reden. Letzterer hat Ex-Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Ex-Finanzminister und heutigen Sparkassenpräsidenten Georg Fahrenschon - beides ehemalige CSU-Kronprinzen - zu einer privaten Klausur in ein Schlosshotel eingeladen. Was das nun schon wieder zu bedeuten hat?

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