Wie geht es mit der kleinen Unionsschwester weiter? Seehofer wird zur Belastung für die CSU

München/Berlin · CSU-Chef Horst Seehofer wird für die eigene Partei zum Problem. Drei Monate vor der Landtagswahl ist die Nervosität daher groß.

 Schlecht drauf: Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer hat sich ziemlich verrannt. 

Schlecht drauf: Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer hat sich ziemlich verrannt. 

Foto: dpa/Barbara Gindl

Drei Monate vor der Landtagswahl in Bayern ist die Stimmung in der CSU so schlecht wie lange nicht mehr. Nicht offiziell, versteht sich. In ihren Reden mühen sich die Parteioberen wie Ministerpräsident Markus Söder um gute Mienen und motivierende Worte. Doch hinter den Kulissen der bisher so stolzen Partei geht schon lange ein Gespenst um – die Angst vor dem Verlust der absoluten Mehrheit im Land und der dann womöglich drohenden (bundes-)politischen Bedeutungslosigkeit. Und wer ein wenig weiter bohrt, erfährt auch schnell, wen die CSU für diese Gemütslage allein verantwortlich macht: ihren eigenen Chef, den auch außerhalb der CSU derzeit umstrittenen Bundesinnenminister.

„Horst Seehofer hat die CSU in den vergangenen Wochen lächerlich gemacht“, sagt ein CSU-Vorstand. Ein anderer spricht von Fremdschämen und unverzeihlichen Fehlern eines verbitterten Mannes. Wie so viele in der CSU wollen auch diese beiden ihre Namen nicht in den Medien lesen. „Er ist unkontrollierbar, ein freies Radikal, isoliert und unberechenbar“, heißt es über Seehofer.

Einzig Erwin Huber, vor Seehofer CSU-Chef, traute sich soeben aus der Deckung. „Sein Agieren verwundert und befremdet mittlerweile viele“, sagte er dem „Spiegel“ über seinen Nachfolger. Diese Charakterisierungen aus den eigenen Reihen sind eine Bankrotterklärung, die schon länger in anderen Parteien, in den Medien und in Teilen der Gesellschaft existiert. Mehr als 100 000 Menschen unterzeichneten eine Petition im Internet, die Seehofers Rücktritt fordert. „Ihr Handeln zeugt nicht nur von schlechtem Stil sondern auch vom Verfall moralischer Werte. Darüber hinaus treten Sie den Rechts­staat mit Füßen“, heißt es dort.

„Er ist spätestens seit dem Asylstreit mit der Kanzlerin (Angela Merkel, CDU) außer Kontrolle“, analysiert ein CSU-Abgeordneter aus dem Bundestag. Auch wenn er in der Sache Rückendeckung der Partei habe, „hat sein Stil alles kaputt gemacht – Merkel beleidigen, dann der Rücktritt von seiner übereilten Rücktrittsforderung und jetzt dieser geschmacklose Scherz zu den Abschiebungen“. Seehofer hatte gesagt: „Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt –  Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden.“ Am Tag darauf wurde bekannt, dass sich einer der 69 Abgeschobenen das Leben genommen hat.

So einig sich die CSU-Politiker bei der Wertung Seehofers sind, so vielfältig fallen die Erklärungsmuster aus: „Er ist innerlich ausgebrannt und erschöpft“, sagt ein einflussreicher CSU-Kopf, der Seehofer schon lange kennt. Andere sehen sein Verhalten als Retourkutsche für den Verlust des Ministerpräsidentenamtes. „Ich bin ein freier Mensch und als solcher agiere ich auch. Ohne Ängste oder Albträume“, beschrieb Seehofer schon vor Jahren seine innere Balance. Sein Antrieb sei dabei der Spaß an der Arbeit und die Möglichkeit, etwas zu bewegen. Lange Jahre profitierte die CSU von Seehofers Unberechenbarkeit und seinem politischen Gespür – heute fürchtet sie dies. Die Situation sei noch dramatischer, da Seehofer für seine eigene Partei kaum noch erreichbar sei, heißt es unisono.

„Keiner weiß, was er als nächstes macht. Es scheint, als nehme er auch einen Schaden an seiner CSU billigend in Kauf“, betont ein führendes Vorstandsmitglied, das aber auch die Partei in der Verantwortung sieht: „Wir hätten letztes Jahr nach der Bundestagswahl einen sauberen Schnitt machen müssen und Seehofer nicht wieder zum Parteichef wählen dürfen.“ Doch trotz der historischen Pleite von 38,8 Prozent durfte Seehofer weitermachen. Als CSU-Trumpf für die Bundesregierung und Vorkämpfer in den Koalitionsverhandlungen wurde er für zwei weitere Jahre zum Parteichef gewählt.

Drei Monate vor der „Mutter aller Wahlen“, wie die CSU die Landtagswahl gerne nennt, ist ein Wechsel an der Parteispitze undenkbar. Alle fürchten, dass ein sicherlich schmutziger Machtkampf die CSU vor der Landtagswahl am 14. Oktober endgültig zerreißen könnte. Und genau deshalb, da sind sich die CSU-Politiker einig, gibt es bisher keine Revolte.

Ministerpräsident Söder will sich nicht zum aktuellen Dilemma äußern. Doch seine Meinung und Strategie dürften sich aus seinen sehr grundsätzlichen Worten zum politischen Diskurs im Landtag ablesen lassen: Ohne Seehofer direkt zu erwähnen, forderte er eine kritische Selbstreflexion des eigenen Politikstils, parteiübergreifend. Nachdem Söder im Asylstreit anfangs zu den treibenden Kräften neben Seehofer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zählte, hat er längst eine Vollbremsung hingelegt und müht sich um ruhige Töne.

Wie lange der CSU-Burgfrieden hält, kann niemand verlässlich sagen. „Alles ist möglich, jetzt und nach der Wahl“, heißt es aus der Partei. Spätestens beim CSU-Parteitag am 15. September dürften sich Seehofer und seine Partei wieder auf großer Bühne in die Augen schauen. Bis dato bleibe nur die Hoffnung. Immerhin habe Seehofer immer schon auch gesagt: „Ich will nicht vom Hof gejagt werden.“

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