Seehofer gewinnt „Mutter aller Schlachten“
Es gibt in der deutschen Spitzenpolitik keinen erfahreneren Mann als Horst Seehofer. Als dieser 1980 in den Bundestag einzog, lernte FDP-Chef Philipp Rösler gerade lesen und schreiben.
Und doch gab es jetzt auch für Seehofer noch ein erstes Mal: Nie zuvor führte er die CSU als Spitzenkandidat in eine Landtagswahl - für ihn die "Mutter aller Schlachten". Gestern war es soweit, und er gewann mit wehenden Fahnen. Mit rund 49 Prozent holte die CSU die absolute Mehrheit. "Wir sind wieder da", rief Seehofer am Abend in die Menge seiner Anhänger. Das erkannte auch SPD-Spitzenkandidat Christian Ude an und gratulierte fair.
Auf wundersamen Wegen hatte sich im Maximilianeum, dem Sitz des bayerischen Landtags, schon am späten Nachmittag herumgesprochen, was nach 18 Uhr Sache sein würde. Daraufhin füllte sich der Fraktionssaal der CSU bis zum Bersten. Als der schwarze Balken der ersten Hochrechnung auf 49 Prozent hochschnellte, kannte der Jubel keine Grenzen. Bei dieser Datenlage brauchte Seehofer dann auch nicht lange, um sich vor seinen Parteifreunden mit zwei hochgestreckten Victory-Zeichen als Sieger zu präsentieren. "Damit ist das Jahr 2008 Geschichte", verkündete der alte und neue Regierungschef und meinte damit das damalige Abrutschen der CSU auf 43,4 Prozent.
Hätte die CSU nicht damals mit dem unglücklichen Tandem Günther Beckstein und Erwin Huber die absolute Mehrheit verloren, wäre der 64-jährige Seehofer wohl heute noch Bundesverbraucherminister und würde sich allmählich mit seiner Frau Karin Gedanken über den Ruhestand machen. Doch nach der Pleite galt der Vater von drei erwachsenen ehelichen Kindern und einer unehelichen kleinen Tochter der CSU als Heilsbringer und wurde als Parteichef und Ministerpräsident mit größtmöglicher Machtfülle ausgestattet. Dafür erwarteten die Christsozialen von ihm, auch nach 56 Jahren an der Regierung zu bleiben.
Seehofer hat die Partei für dieses Ziel in den vergangenen fünf Jahren ohne Rücksicht verändert. Die heutige CSU habe nichts mehr mit der von ihm übernommenen CSU zu tun, sagt er gelegentlich. Dies klingt kokett, sind doch nach wie vor noch viele Akteure von 2008 mit im Boot. Doch die Veränderungen sind nicht zu leugnen. So wollte Seehofer die CSU jünger und weiblicher und zur Mitmachpartei machen. Alle Minister über 60 Jahren schmiss er 2008 aus seinem Kabinett. Er machte die junge Dorothee Bär zur stellvertretenden CSU-Generalsekretärin und Ilse Aigner zur Bundesverbraucherministerin - und sorgte mit einer Facebook-Party in der Münchner Disco P1 für Aufsehen.
Allerdings hat Seehofer mittlerweile mit seinem Verjüngungskurs gebrochen und mit Gerda Hasselfeldt als Landesgruppenchefin und Christa Stewens als Landtagsfraktionschefin zwei über sechzigjährige Frauen in die erste Reihe geholt. Und sein engster Vertrauter ist nach wie vor ein Mann - mit CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt entwirft Seehofer seine Schlachtpläne.
Ganz spitz wurden gestern Abend die Ohren im CSU-Saal, als Seehofer anhob, Dank auszusprechen. Würden da schon die künftigen Kronprinzen angedeutet? Würde es schon Hinweise darauf geben, wer im neuen Kabinett welchen Posten besetzt? Doch Seehofer dankte lediglich den Mitarbeitern der Parteizentrale, seiner Frau und Landtagsfraktionchefin Stewens, die dem neuen Landtag nicht mehr angehören wird. Alles andere, sagte Seehofer, werde erst nach der Bundestagswahl geklärt, und zwar "in Harmonie, in Eintracht und im Einvernehmen". Ansonsten warnte er seine Parteifreunde schon mal, "auf dem Teppich" zu bleiben.
Viele Beobachter sehen Zeichen dafür, dass die aus Berlin zurückgekehrte Aigner seine Wunschkandidatin für eine zukünftige Nachfolge ist. Nach der Rückeroberung der absoluten Mehrheit bei der Wahl 2018 den Stab an sie zu übergeben - das würde Seehofers Lebenswerk perfekt vollenden. Doch zunächst muss es ihm jetzt gelingen, den drohenden parteiinternen Sturz zu verhindern. Denn außer dem im Amt verstorbenen Franz Josef Strauß hat die CSU alle ihre Ministerpräsidenten der vergangenen Jahrzehnte selbst vom Thron gestoßen - auch Seehofer hat sich die für einen Sturz nötigen Feinde schon gemacht.
Zum Thema:
Auf einen BlickZahlen und Fakten zur Landtagswahl in Bayern:Rund 9,5 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Etwa 650 000 junge Menschen konnten erstmals wählen gehen. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,5 Prozent (2008: 57,9).15 Parteien mit 1769 Bewerbern standen zur Wahl. 180 Sitze waren im Landtag zu vergeben. Es kann aber noch Überhang- und Ausgleichsmandate geben. Fünf Fraktionen saßen im letzten Landtag: CSU, SPD, Freie Wähler, Grüne und FDP. In diesem werden es nach dem schlechten Abschneiden der Liberalen nur noch vier sein. dpa