Schweres Erbe für Farages Nachfolgerin

London · Nigel Farage war das Gesicht von Ukip. Am gestrigen Freitag beerbte ihn Diane James als Vorsitzende. Sie wird es nicht leicht haben, die zerstrittene Partei zu einen und eine neue Rolle für die EU-Gegner zu finden.

Noch einmal wird für die Ein-Mann-Show alles aufgefahren: Auf einem großen Bildschirm zeigen Videosequenzen Nigel Farage, wie er vermeintlich volksnah mit Bier und Zigarette in der Hand für den Brexit kämpfte und gegen Einwanderung wetterte. Dann der große Sieg beim Referendum über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens - im Fokus wie so oft Farage, der scheidende Chef der rechtspopulistischen Unabhängigkeitspartei Ukip: "Es ist Unabhängigkeitstag", erinnert sein Satz an den größten Triumph der Partei. Jubel bricht aus in der Halle im englischen Seebad Bournemouth, wo gestern der zweitägige Parteitag begonnen hat. Raus aus der EU, forderte Farage mehr als 25 Jahre lang und es ist auch sein Verdienst, dass die Briten am 23. Juni mehrheitlich für die Scheidung von Brüssel stimmten. "Wir haben den Lauf der Geschichte geändert", sagte er in seiner Abschiedsrede. Nun wolle er dafür sorgen, dass die Regierung unter David Camerons Nachfolgerin Theresa May keine "Brexit light"-Version aushandele, sondern den Brexit im Sinne von Ukip durchziehe: Austritt aus dem europäischen Binnenmarkt, "volle Kontrolle über die Grenzen", eine Rückkehr zum alten britischen Pass.

Als Nachfolgerin von Farage bestimmte die Parteibasis gestern die 56-jährige Diane James. Die Europaabgeordnete hat in den vergangenen Monaten bereits für Kontroversen gesorgt, weil sie sich als Bewunderin des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erkennen gab. Dieser sei ein "sehr starker Führer", sagte sie. "Er steht für sein Land gerade." Rhetorisch scheint sie es mit ihrem Vorgänger aufnehmen zu können, trotzdem tritt James ein schweres Erbe an. Farage war Ukip und Ukip war Farage.

Die Europagegner stecken in einer tiefen Sinnkrise, nachdem sie mit dem Brexit-Votum ihr Hauptziel erreicht haben. James hat die Aufgabe, eine neue Rolle zu definieren, wobei nicht ganz klar ist, wo die Ukip-Chefin ihre Schwerpunkte setzen will. Wie will sie jetzt noch Wähler mobilisieren? Innerhalb von Ukip wurden bereits Forderungen laut, nach denen sich die tief zerstrittenen Partei komplett neu erfinden müsse, um in der Öffentlichkeit nicht in die Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Doch es fehlt an Personal und an Einigkeit. Manche fordern einen noch härteren Einwanderungskurs, andere legen ihren Fokus auf das Image als Anti-Establishment-Partei. Politische Beobachter gehen davon aus, dass sich Ukip weiter nach rechts lehnen und so die Fremdenfeindlichkeit noch stärker anheizen wird.

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