Schwerer Rückschlag für die Brüsseler Kommission

Brüssel. Deutschland - eine Genmais-freie Zone? In Brüssel hat diese Nachricht niemanden wirklich überrascht. Schließlich war es Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) gewesen, der das jetzige Nein seiner CSU-Kollegin im Agrarressort, Ilse Aigner, Anfang März vorbereitete

Brüssel. Deutschland - eine Genmais-freie Zone? In Brüssel hat diese Nachricht niemanden wirklich überrascht. Schließlich war es Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) gewesen, der das jetzige Nein seiner CSU-Kollegin im Agrarressort, Ilse Aigner, Anfang März vorbereitete. Bei der damaligen Sitzung der EU-Umweltminister hatte Gabriel im richtigen Augenblick die Hand gehoben und damit den Widerstand der Kommission gegen einen Genmais-Anbau-Stopp in Österreich und Ungarn zu Fall gebracht. "Ich kann nicht erkennen, warum wir den Interessen eines amerikanischen Konzerns folgen und in den Mitgliedstaaten Menschen gegen uns aufbringen sollten", sagte Gabriel anschließend. Damit war klar: Der Umweltminister bereitete nur die gentechnikfreie Zone Deutschland vor.

Für die Brüsseler Kommission bedeutet die gestrige Entscheidung aus Berlin einen herben Rückschlag. Über viele Jahre hinweg hatten sich die 27 EU-Kommissare leidenschaftlich gestritten, ob man gentechnisch veränderte Pflanzen nun für den freien Anbau zulassen solle oder nicht. Vor allem der für Ökologie zuständige Kommissar Stavros Dimas legte sich immer wieder mit seinem Präsidenten, José Manuel Barroso, an und blockierte alle Versuche, einen liberaleren Kurs zu fahren.

2008 gab es dann einen Durchbruch: Brüssel entschied, man werde sich künftig strikt auf die Empfehlungen der eigenen Fachleute in der EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in Parma/Italien verlassen. Sollte die in einem Fall keine Bedenken haben, wollte man die Zulassung schnell durchziehen.

Der Kampf gegen den Maiszünsler, einen nachtaktiven Schmetterling, der sich neben Kartoffeln von Mais ernährt, wurde zum Prüfstein. Die Kommission forderte mehrmals ultimativ die Regierungen in Wien und Budapest auf, das einzige "Kraut", das gehen den Maiszünsler gewachsen ist, zuzulassen: die beiden gentechnisch veränderten Mais-Sorten "MON 810" aus dem Haus des US-Konzerns Monsanto und seine europäische Variante T 25 (Bayer). Doch die beiden Länder blieben hart, bis zu der Agrarminister-Sitzung im März 2009, als Gabriel die Kommission endgültig scheitern ließ und damit das deutsche Veto gegen einen Anbau in die Wege leitete.

Der nächste Testfall wartet schon: In den nächsten Tagen wird ein Gutachten der EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit über die Gen-Kartoffel "Amflora" erwartet, die Bayer zur Stärkeherstellung nutzen will. In der Kommission ist man bereit, die Sache schnell zu genehmigen, sobald aus Parma eine Unbedenklichkeitsentscheidung vorliegt.

Das in dieser Frage geteilte Europa aber beschert Herstellern und Verbrauchern Probleme. Denn keineswegs alle Länder der Europäischen Union wollen gentechnikfrei werden. Und das heißt für die Zukunft: Auf dem offenen europäischen Markt werden gentechnisch veränderte Pflanzen ebenso wenig an Grenzen stoßen müssen wie die daraus gewonnenen Produkte. "Ich kann nicht erkennen, warum wir den Interessen eines Konzerns folgen und in den Mitgliedstaaten Menschen gegen uns aufbringen sollten."

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel

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