Landtagswahl in NRW Schulz braucht jetzt viel Kraft

Würselen/Berlin · An diesem Sonntag ist es soweit: Kann die SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen den Angriff der CDU abwehren?

 Endstation NRW? Für Kanzlerkandidat Martin Schulz steht an diesem Sonntag viel auf dem Spiel. Scheitert Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in der SPD-Hochburg, könnte auch das Schicksal von Schulz besiegelt sein. Fotos: dpa

Endstation NRW? Für Kanzlerkandidat Martin Schulz steht an diesem Sonntag viel auf dem Spiel. Scheitert Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in der SPD-Hochburg, könnte auch das Schicksal von Schulz besiegelt sein. Fotos: dpa

In seiner Heimatstadt Würselen muss sich Martin Schulz nichts mehr beweisen. Dort werden sie ihren Ex-Bürgermeister, Ex-Buchhändler und Karlspreisträger auch dann noch mögen, wenn die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an diesem Sonntag für die SPD in die Hose geht.

Vor ein paar Wochen noch undenkbar, liegt die CDU in der Herzkammer der Sozialdemokratie Umfragen zufolge mindestens auf Augenhöhe mit den Genossen. Macht die CDU nach Saarland und Schleswig-Holstein das 3:0 gegen die SPD? Auch bundesweit ist der Trend gerade kein Genosse mehr. 27 Prozent für die Roten, 37 für die Schwarzen. Sieben von zehn Bürgern sagen, Merkels Politik sichere die gute Wirtschaftslage. Sie liegt neben Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und SPD-Außenminister Sigmar Gabriel (!) an der Spitze der Popularitätsliste - für Schulz geht es sechs Punkte runter. Unmittelbar vor dem NRW-Finale und vier Monate vor der Bundestagswahl sind Merkels Werte für die Union ein Pfund. Kein Wunder, dass die Kanzlerin nichts anderes machen muss, als zu regieren. Und zu plaudern.

Angela Merkel ist die Ruhe selbst. Dagegen hat diejenige, die das Kanzleramt für sich ausgeschlossen hat, allen Grund zum Zittern: Der Amtsbonus von NRWs Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sei zwar stärker als der von Torsten Albig im hohen Norden. Doch Krafts Zustimmungswerte sind deutlich gesunken. In den letzten Tagen vor der Landtagswahl hat die CDU von Herausforderer Armin Laschet massiv aufgeholt. In den Umfragen zur Beliebtheit der Spitzenkandidaten liegt Kraft zwar immer noch deutlich vor Laschet, hat aber jüngst persönliche Tiefstwerte auf der Skala erreicht. Dabei sah die SPD zu Beginn des Wahlkampfes noch wie der sichere Sieger aus. Kann die "Herzdame der SPD" an diesem Sonntag den Infarkt ihrer Partei vermeiden?

Die SPD rätselt. Warum kommt der Schulz-Hype nun doch schneller als gedacht wie ein Soufflé daher, das in sich zusammenfällt? Noch immer findet gut jeder zweite Deutsche, Schulz habe die Konturen der beiden Volksparteien wieder herausgeschält. Aber 66 Prozent haben keinen Schimmer, welche Politik er als Kanzler machen will. Agenda-2010-Reparaturen, längeres Arbeitslosengeld, das dürfte schon hängengeblieben sein. Und sonst? Er dringt mit seinen Inhalten nicht wirklich durch. Ein fertiges Konzept will Schulz Ende Juni beim Parteitag in Dortmund präsentieren - vielleicht.

Seine Strategen räumen ein, es habe im April an medialer Präsenz, an Zuspitzung gemangelt. Fakt ist: Schulz braucht Kraft. Fällt die amtierende Ministerpräsidentin, dürften am Montag auch im Willy-Brandt-Haus in Berlin die Wände wackeln.

In NRW bewegen die Mega-Staus auf maroden Straßen, die Schulpolitik und die Angst vor Verbrechern die Gemüter. Der von der SPD lange unterschätzte CDU-Herausforderer Armin Laschet punktet auf diesen Feldern. Aber reicht das für den Ministerpräsidentenjob? Immerhin hat es der Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag geschafft, die CDU mühsam wieder auf Vordermann zu bringen. Nach der Ausschließeritis der Parteien (SPD gegen Rot-Rot-Grün, Grüne gegen Jamaika, FDP gegen Ampel) könnte es an der Ruhr auf eine große Koalition hinauslaufen. Wer hauchdünn vorne liegt, kriegt die Staatskanzlei am Rhein - "the winner takes it all". Es sei denn, die bärenstarke Lindner-FDP oder die Grünen vergessen ihre Schwüre und wollen am Ende doch mitregieren.

Noch wankt nur das Bühnenbild, das sie für Schulz in Würselen gezimmert haben. Als eine Windböe eine Leinwand mit der Aufschrift "Zeit für mehr Gerechtigkeit" fast wegpustet, dreht er sich um und ruft schlagfertig: "Da steht der Laschet hinter!" Die Leute lachen. Das Szenario aber, nach 2005 erst zum zweiten Mal in einem halben Jahrhundert die Macht im Stammland NRW an die "Schwatten" zu verlieren, wie ein SPD-Rentner seinen Freunden zuraunt, ist eine Horrorvorstellung.

"Wenn die SPD auf den zweiten Platz kommt, ist die Abwärtsspirale nur noch ganz schwer aufzuhalten", sagt der Parteienforscher Oskar Niedermayer. "Das würde bedeuten, dass Martin Schulz seine Hoffnungen auf die Kanzlerschaft begraben kann." Kraft muss jetzt Schulz retten. Die Ironie dabei: Sie wollte immer, dass der Kanzlerkandidat Sigmar Gabriel heißt.

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 Armin Laschet, CDU-Spitzenkandidat in NRW. Foto: dpa

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Armin Laschet und die CDU in NRW Armin Laschet (56) führt den mit aktuell rund 130 000 Mitgliedern größten CDU-Landesverband seit Sommer 2012. Die Partei war unter Norbert Röttgen bei der letzten Landtagswahl 2012 auf ein Rekordtief von 26,3 Prozent abgestürzt. Doch der Jurist, in dem Skeptiker zunächst eine "Verlegenheitslösung" sahen, hat die CDU-Basis breit und geschickt mitgenommen. Im November kürte ihn die Partei mit satten 97 Prozent zum Spitzenkandidaten.

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