Schuhwerfer wird zur KultfigurBye, bye, Basra: Britische Soldaten verlassen den Irak bis Ende Juli

Bagdad. "Jeder Mensch kann für 15 Minuten ein Star sein", philosophierte einst Popkünstler Andy Warhol. Der irakische Journalist Montasser al-Saidi (Foto: afp) brauchte für seinen Weg zum Ruhm gerade einmal fünf Sekunden. Denn obwohl viele Kommentatoren das Verhalten des Fernsehreporters gerügt haben, der am vergangenen Sonntag seine Schuhe auf US-Präsident George W

Bagdad. "Jeder Mensch kann für 15 Minuten ein Star sein", philosophierte einst Popkünstler Andy Warhol. Der irakische Journalist Montasser al-Saidi (Foto: afp) brauchte für seinen Weg zum Ruhm gerade einmal fünf Sekunden. Denn obwohl viele Kommentatoren das Verhalten des Fernsehreporters gerügt haben, der am vergangenen Sonntag seine Schuhe auf US-Präsident George W. Bush geworfen hat: "Montasser und die Schuhe der Freiheit" sind jetzt schon Kult. Im Internet gibt es bereits verschiedene Computerspiele, bei denen es darum geht, einer tänzelnden Bush-Figur einen Schuh an den Kopf zu werfen. Der 28-Jährige ist gestern erstmals einem Richter vorgeführt worden. Ihm drohen nach Angaben seiner Verteidiger mehrere Jahre Haft. Ein Bruder des Fernsehredakteurs sagte der irakischen Nachrichtenagentur INA, der Richter habe Al-Saidi in der streng abgeriegelten Grünen Zone von Bagdad getroffen. Nach der Befragung habe der Richter nur gesagt, Al-Saidi habe "kooperiert". Über den Gesundheitszustand des 28-Jährigen habe er kein Wort verloren. Die Familie befürchtet, dass er in der Haft misshandelt wird. Saidis Bruder beschuldigte die irakischen Sicherheitskräfte, dem Journalisten einen Arm und mehrere Rippen gebrochen zu haben. Zudem habe er Verletzungen an einem Auge und am Bein erlitten. Bei seiner Attacke am Sonntag hatte Al-Saidi gerufen: "Dies ist dein Abschiedskuss, du Hund!" Bush war den beiden Schuhen geistesgegenwärtig ausgewichen, indem er sich blitzschnell duckte. Der Werfer erhält derweil immer mehr Unterstützung aus dem In-und Ausland. Durch die arabische Welt schwappte eine Welle der Sympathie. Der syrische Kulturminister Riad Naasan Agha sagte gestern in Kairo: "Als arabischer Intellektueller bin ich zufrieden mit der Art und Weise, wie Al-Saidi seine Meinung über Bushs Politik gegenüber seinem Land geäußert hat. Denn es ist viel besser, Bush mit Schuhen zu bewerfen, als sich einen Sprengstoffgürtel umzuschnallen und sich neben dem US-Präsidenten in die Luft zu sprengen."Der libanesische Fernsehsender New TV hat Al-Saidi eine Stelle angeboten. Er solle "von dem Moment an bezahlt werden, in dem er den ersten Schuh warf", sagte Nachrichtenchefin Fadja Bassi. Türkische Medien berichteten, die Schuhe in Größe 44 seien in der türkischen Stadt Gaziantep hergestellt worden. "Dieses Modell ist im Nahen Osten sehr beliebt", sagte ein Firmenvertreter. Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen rief zur Freilassung des Journalisten auf, "aus humanitären Gründen und um Spannungen zu vermeiden". In einer Erklärung der Organisation heißt es: "Selbstverständlich bedauern wir, dass er diese Methode gewählt hat, um gegen die Politik des amerikanischen Präsidenten zu protestieren." Im Bagdader Stadtteil Adhamija demonstrierten gestern erneut hunderte Iraker für Al-Saidis Freilassung.In der arabischen Welt ist ein Wurf oder ein Tritt mit den Schuhsohlen ein Zeichen höchster Verachtung, erklärten Islamwissenschaftler.Die Lage in Bagdad bleibt indes weiter ernst. Gestern starben nach Angaben von Augenzeugen 25 Menschen, als auf einer belebten Straße kurz hintereinander zwei Sprengsätze detonierten. dpa/afpLondon/Bagdad. Der Einsatz der Briten im Irak endet nach mehr als sechs Jahren im kommenden Juli. Nach monatelangen Spekulationen hat der britische Premierminister Gordon Brown gestern bei einem Überraschungsbesuch im Irak den Zeitplan für den Abzug bekanntgegeben. Die Streitkräfte würden ihre Aufgaben in der ersten Jahreshälfte 2009 erfüllen und dann das Land verlassen, erklärten Brown und der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki in Bagdad. Derzeit sind noch etwa 4100 britische Soldaten außerhalb der südirakischen Stadt Basra stationiert. Brown erklärte, dass die militärischen Aufgaben bis Ende Mai erledigt seien. Der Abzug solle dann bis Ende Juli stattfinden. "Wir sind übereingekommen, dass unser Einsatz spätestens am 31. Mai enden wird", sagte Brown. "Unsere Truppen werden in den folgenden zwei Monaten nach Hause kommen." Der Abzug der Briten war erwartet worden. Die britische Regierung hatte bereits mehrfach einen Rückzug im kommenden Jahr angedeutet, aber den Zeitplan offen gelassen. Seit Beginn des Irak-Einsatzes im März 2003 sind 177 britische Soldaten ums Leben gekommen. Seit langem wird darüber spekuliert, dass die Briten nach einem Rückzug aus dem Irak ihr Engagement in Afghanistan verstärken werden. Derzeit sind etwa 8000 britische Soldaten am Hindukusch stationiert. dpa

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