Schüsse, die die Welt schockierten

Saarbrücken. Ein Schuss peitscht über den Vorhof des Lorraine-Motels in Memphis im US-Bundesstaat Tennessee. Der Schuss trifft einen afroamerikanischen Baptistenpastor tödlich. Ein einziger Schuss stürzt eine ganze Nation ins Chaos. Am 5. April 1968 titelt die Saarbrücker Zeitung ihre erste Seite mit dem Satz "Rassenaufruhr nach dem Mord an Martin Luther King"

Saarbrücken. Ein Schuss peitscht über den Vorhof des Lorraine-Motels in Memphis im US-Bundesstaat Tennessee. Der Schuss trifft einen afroamerikanischen Baptistenpastor tödlich. Ein einziger Schuss stürzt eine ganze Nation ins Chaos. Am 5. April 1968 titelt die Saarbrücker Zeitung ihre erste Seite mit dem Satz "Rassenaufruhr nach dem Mord an Martin Luther King". Der "gemäßigte Negerführer", so die SZ, sei am Vortag von einem "weißen Rassenfanatiker" auf dem Balkon seines Motels erschossen worden. Die Nachricht vom Tod des schwarzen Bürgerrechtskämpfers und Friedensnobelpreisträgers, der wie niemand zuvor den Traum von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit aller US-Bürger träumte, löst weltweit Bestürzung und Tauer aus.Tausende Amerikaner zieht es zum Beten in die Kirchen. "Zur gleichen Stunde wälzten andere Tausend, blind vor Hass, durch die Straßen und schlugen kurz und klein, was ihnen im Weg stand", so die SZ am 5. April 1968. In hunderten Städten in den USA kommt es nach Kings Tod zu schweren Krawallen. 39 Menschen kommen ums Leben, etwa 2000 werden verletzt. Die Polizei inhaftiert rund 10 000 Personen. Ein SZ-Redakteur kommentiert die Tumulte in den USA: "Die Welt hat einen Fürsprecher der Vernunft verloren. Und Amerika ist in Gefahr, seinen Ruf zu verspielen, wenn es Johnson (US-Präsident, Anm d. Red.) nicht gelingt, die krassen Ungleichheiten, die Slums und den darin wuchernden Haß rascher als bisher zu beseitigen."

Am 9. April wird Martin Luther King in Atlanta beigesetzt. Zur Beerdigung kommen 50 000 Menschen. Monate später verhaftet die Polizei den mutmaßlichen Mörder Kings, den mehrfach vorbestraften Rassisten James Earl Ray. Er gesteht die Tat und wird zu 99 Jahren Gefängnis verurteilt. Wenig später widerruft Ray sein Geständnis.

19 Jahre zuvor, am 4. April 1949, kommt es in der US-Hauptstadt Washington zu einem Vertragsabschluss, den die Saarbrücker Zeitung in einem seitenfüllenden Aufmachertext als "eines der größten historischen Ereignisse, die jemals die Welt bewegten", bezeichnet. "Der Nordatlantikpakt, in dem Millionen Menschen die einzige Möglichkeit zur Erhaltung des Friedens sehen, wurde um 15.15 Uhr amerikanischer Zeit unterzeichnet", steht in der SZ-Ausgabe des Folgetages. Belgien, Dänemark, Frankreich, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal, die Vereinigten Staaten von Amerika sowie das Vereinigte Königreich verpflichten sich damals zur gegenseitigen Waffenhilfe im Verteidigungsfall. Die Bundesrepublik tritt dem Bündnis kurz nach der Wiederbewaffnung im Mai 1955 bei.

7. April 1977: Ein dunkelblauer Mercedes hält an einer Straßenkreuzung in Karlsruhe. Die Insassen: Generalbundesanwalt Siegfried Buback, sein Fahrer und ein Justizbeamter. Die blutigen Ereignisse der nächsten Minuten sind in der SZ wie folgt geschildert: "Die Ampelanlage zeigt Rot, Bubacks Fahrer ordnet den Wagen in die rechte Geradeausspur ein. Plötzlich setzt sich ein mit zwei Personen besetztes Motorrad rechts neben den Wagen des Generalbundesanwalts. Die Person auf dem Motorradrücksitz öffnet eine große, braune Tasche . . . und dann knallt es!" Ein Mitglied der terroristischen Rote Armee Fraktion (RAF) eröffnet aus einem halbautomatischen Gewehr das Feuer auf den Mercedes. Alle drei Männer im Auto werden getroffen. Buback und sein Fahrer sterben noch am Tatort, der Justizbeamte erliegt eine Woche später seinen Verletzungen.

Am 9. April 1977 widmet die SZ dem Attentat vier Themenseiten und veröffentlicht auch die Fahndungsfotos der mutmaßlichen Täter des "Kommandos Ulrike Meinhof". "Fahndung auf drei Anarchisten konzentriert" steht in großen Lettern auf der Titelseite. Auf der zweiten Seite: die Reaktionen der Politik. Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) telegrafiert an die Frau des ermordeten Generalbundesanwalts: "Mit außerordentlicher Bestürzung und Abscheu habe ich von dem heimtückischen Verbrechen erfahren, dem Ihr Mann zum Opfer gefallen ist."

Die RAF-Terroristen Christian Klar, Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt werden für den Mord verurteilt. Derzeit läuft wegen des Buback-Attentats ein weiterer Prozess gegen die Ex-Terroristin Verena Becker. Wer allerdings auf dem Motorrad saß und wer die tödlichen Schüsse abgab, ist bis heute unklar.

Was sonst noch geschah Anfang April:

4. April 1865: Wilhelm Busch veröffentlicht "Max und Moritz".

6. April 1896: Die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit werden eröffnet.

6. April 1980: Die Sommerzeit wird eingeführt.

10. April 2000: Angela Merkel wird Vorsitzende der CDU.

 Tatort Karlsruhe: Nach dem RAF-Attentat liegen die Leichen von Siegfried Buback und seinem Fahrer verdeckt am Boden. Foto: dpa

Tatort Karlsruhe: Nach dem RAF-Attentat liegen die Leichen von Siegfried Buback und seinem Fahrer verdeckt am Boden. Foto: dpa

9. April 2005: Prinz Charles heiratet Camilla Parker Bowles.

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