Scholz erobert Hamburg zurück

Es ist der Abend von Olaf Scholz. Ausgelassener Jubel regiert bei der Wahlparty des künftigen Hamburger SPD-Bürgermeisters, "Olaf, Olaf"-Sprechchöre schallen dem Spitzenkandidaten entgegen. Der lässt sich in Siegerpose feiern, zeigt aber trotz des Wahltriumphs mit einer voraussichtlich absoluten Mehrheit eine gewisse hanseatische Zurückhaltung

 Olaf Scholz nahm das Wahlergebnis mit hanseatischer Gelassenheit. Foto: dpa

Olaf Scholz nahm das Wahlergebnis mit hanseatischer Gelassenheit. Foto: dpa

Es ist der Abend von Olaf Scholz. Ausgelassener Jubel regiert bei der Wahlparty des künftigen Hamburger SPD-Bürgermeisters, "Olaf, Olaf"-Sprechchöre schallen dem Spitzenkandidaten entgegen. Der lässt sich in Siegerpose feiern, zeigt aber trotz des Wahltriumphs mit einer voraussichtlich absoluten Mehrheit eine gewisse hanseatische Zurückhaltung. Zur gleichen Zeit bei der CDU in der Hansestadt: bestürzte, fast ungläubige Gesichter. Noch-Bürgermeister Christoph Ahlhaus wirkt gefasst, aber betroffen.Die seit neun Jahren regierende CDU halbiert ihr Ergebnis der letzten Bürgerschaftswahl und stürzt l auf rund 22 Prozent ab. In allen Umfragen hatte sich zuletzt zwar eine klare Niederlage der CDU an der Elbe abgezeichnet - ganz so desaströs waren die Werte aber nicht ausgefallen. "Diese Stunde ist schmerzhaft für die CDU, und sie reißt uns in Ratlosigkeit", sagt ein enttäuschter Ahlhaus.

Wie etwa werden künftig die Posten in der Opposition verteilt? Mögliche Personalentscheidungen, betont Hamburgs CDU-Chef Frank Schira, sollen heute getroffen werden. Die Schuld für das Debakel schiebt Ahlhaus allerdings vor allem den Grünen - bis zum Bruch des schwarz-grünen Bündnisses im November Koalitionspartner - in den Schuhe. Er wiederholt das, was in seinem Wahlkampf immer wieder zu hören war: "Falsch war es, dem Koalitionspartner zu viele Zugeständnisse zu machen."

Lange Gesichter auch auf der GAL-Wahlparty im Ballsaal des Millerntorstadions. Vom Ausstieg aus der Koalition hätten die Grünen - in Hamburg GAL genannt - bei der Wahl gern stärker profitiert. Sie verbessern sich laut Hochrechnung zwar leicht auf gut elf Prozent, hatten aber auf deutlich mehr gesetzt. Schließlich hatten ihnen die jüngsten Umfragen Hoffnung gemacht. Nun jedoch liegen sie deutlich unter dem bundesweiten Trend. Und zum Regieren, so zeichnet sich ab, werden sie künftig nicht gebraucht.

Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, kündigt denn auch an, dass die GAL eine "harte Opposition" sein werde. Und lobt zugleich: "Wir haben zugelegt aus einer schwierigen Situation, wo der ehemalige Koalitionspartner dramatisch verloren hat." Bei Astra-Bier, Currywurst und Kartoffelsalat feiert die GAL, richtige Stimmung kommt aber nicht auf.

Als zweiter Gewinner nach der SPD fühlt sich die FDP. Nach rund sieben Jahren schaffen die Liberalen den Wiedereinzug in die Bürgerschaft. FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding - zuvor in der Hansestadt völlig unbekannt - lächelt sich durch die Fernsehstudios und zeigt sich "sehr, sehr glücklich". Sie räumt aber auch ein: "Wir kommen ja von einer ganz anderen Basis, und da sind wir froh, dass wir es überhaupt geschafft haben."

Erleichterung und Jubel auch bei den Linken: Sie ziehen zum zweiten Mal nach 2008 in die Bürgerschaft ein. Spitzenkandidatin Dora Heyenn kündigt an: "Wir gehen erhobenen Hauptes in die Opposition." Drastischer wird der Linken-Bundestagsabgeordnete Ulrich Maurer: "Ihr habt uns richtig den Arsch gerettet." Das Ergebnis werde dem Wahlkampf der Linken richtig Schwung geben, glaubt Maurer.

Wie gelassen Wahlsieger Scholz schon den Tag der Abstimmung nahm, zeigte sich bei seiner Stimmabgabe am Mittag. Er wolle die Stunden bis zum Wahlabend noch "genießen", erklärte er. Wenige Stunden später präsentiert er sich Hand in Hand mit seiner Frau auf der Wahlparty, lächelnd, die Arme kurz nach oben reckend und winkend. Die Begeisterung seiner Genossen kennt kein Halten mehr.

Meinung

Krisen und Niederlagen

Von SZ-KorrespondentWerner Kolhoff

Wahlen in Stadtstaaten sind etwas Besonderes, geprägt von lokalen Besonderheiten. Bundespolitik spielt kaum eine Rolle. Das gilt ganz besonders für Hamburg. Gleichwohl hat der gestrige Urnengang Rückwirkungen auf das Geschehen in Berlin. Drei wesentliche Folgen lassen sich festhalten. Die erste: A star ist born. Olaf Scholz kommt mit der Autorität eines Ministerpräsidenten zurück auf die bundespolitische Bühne. Sein Sieg resultiert aus der Niederlage der CDU und seiner persönlichen Stärke. Er ist kein Erfolg der Bundes-SPD.

Die zweite Erkenntnis ist, dass die schwarz-grüne Option nun für eine lange Zeit in der Kiste "exotische Experimente" verschwinden wird. Die Hamburger CDU hat es praktisch das politische Leben gekostet, und die anderen Parteien haben diese Leiche gehörig gefleddert. Alle profitieren davon. Nur die Grünen nicht, deren mageres Ergebnis auch die Strafe für einen allzu raffinierten Koalitionsbruch ist.

 Olaf Scholz nahm das Wahlergebnis mit hanseatischer Gelassenheit. Foto: dpa

Olaf Scholz nahm das Wahlergebnis mit hanseatischer Gelassenheit. Foto: dpa

Drittens ist das Ergebnis mit Blick auf die folgenden sechs Landtagswahlen ein ganz bitteres Signal für die CDU, mittelbar auch für die FDP. Es ist, als hätte ein Hürdenläufer den Start verpatzt und auch noch das erste Hindernis gerissen. Nüchtern betrachtet hat das Jahr 2011 der schwarz-gelben Berliner Koalition bisher nur Krisen und eine Niederlage gebracht.

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