Schockenhoff: "Es war klar, dass hier ein Exempel statuiert wird"

Herr Schockenhoff, wie bewerten Sie das Urteil gegen Pussy Riot?Schockenhoff: Nach den Umständen der Anklage-Erhebung und der Untersuchungshaft war klar, dass hier ein Exempel statuiert wird. Kritik am Staat wird kriminalisiert, und damit werden die Impulse, die Russland für die Modernisierung benötigt, unterdrückt. Das Urteil ist auch kein Einzelfall

Herr Schockenhoff, wie bewerten Sie das Urteil gegen Pussy Riot?Schockenhoff: Nach den Umständen der Anklage-Erhebung und der Untersuchungshaft war klar, dass hier ein Exempel statuiert wird. Kritik am Staat wird kriminalisiert, und damit werden die Impulse, die Russland für die Modernisierung benötigt, unterdrückt. Das Urteil ist auch kein Einzelfall. Es steht in einer Reihe von weiter reichenden Repressionsmaßnahmen, die die Polarisierung zwischen Staat und Gesellschaft nur verstärken.

Welches Signal geht von dem harten Richterspruch aus?

Schockenhoff: Der heutige Schuldspruch bleibt ein gefährlicher Präzedenzfall. Das Signal an die Russen lautet: Wer Kritik am Regime übt, statt sich dessen Willen unterzuordnen, ist kein Partner, sondern eine Bedrohung, die bekämpft werden muss.

Muss die Bundesregierung ihr Verhältnis zu Putin überdenken?

Schockenhoff: Nein. Wir haben heute schon kein Wunschdenken gegenüber Russland. Defizite und Verstöße gegen Werte, denen sich Putin zum Beispiel im Europarat angeschlossen hat, sprechen wir klar an. Wir sagen, dass es zu einer Modernisierungspartnerschaft nicht passt, wenn die Meinungsfreiheit unterdrückt und zivilgesellschaftliche Organisationen als ausländische Agenten angeprangert werden. Einen wettbewerbsfähigen, modernen Staat kann man nicht gegen die eigene Bevölkerung schaffen. Das muss auch Putin verstehen.

Vielleicht ist der Dialog nicht deutlich genug. Man hat den Eindruck, Russland entwickelt sich unter Putin zurück.

Schockenhoff: Russland ist kein einförmiger Partner. Das Land ist gespalten, die Mehrheit steht den Entwicklungen passiv gegenüber. Die Opposition wächst aber und wird radikaler. Das beobachten wir genau. Und wir sprechen die Defizite bei der inneren Entwicklung des Landes klar an.

Nutzt bei solchen Prozessen der internationale Druck überhaupt irgendetwas?

Schockenhoff: Die Menschen, die sich in Russland einmischen, müssen wissen, dass sie nicht allein sind. Deswegen halte ich Kritik aus dem Ausland für richtig. Wir müssen aber zugleich gegenüber der Regierung immer wieder sagen, dass wir ein starkes und modernes Russland wollen. Putin schadet momentan dem Anspruch eines einheitlichen Russlands. Das ist genau das Gegenteil von dem, was er dem Land versprochen hat.Foto: Hanschke/dpa

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