Ja gegen alle Absprachen Schmidt provoziert die Genossen mit Glyphosat-Entscheidung

Brüssel · CSU-Minister gibt in Brüssel gegen Koalitionsabsprachen grünes Licht für den umstrittenen Unkrautvernichter. Nahles sieht „schweren Vertrauensbruch“.

 CSU-Mann Schmitt soll Koalitions-Absprachen gebrochen haben.

CSU-Mann Schmitt soll Koalitions-Absprachen gebrochen haben.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat darf noch weitere fünf Jahre benutzt werden. Auch Deutschland stimmte in Brüssel beim letzten Vermittlungsversuch schließlich zu – offenbar trickste der Bundeslandwirtschaftsminister die Umweltministerin aus.

Deutschland hat so durch eine gezielte Aktion dafür gesorgt, dass das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat noch weitere fünf Jahre zum Einsatz kommen darf. In einem Vermittlungsverfahren bei der EU-Kommission in Brüssel hatte es gestern völlig überraschend eine Einigung gegeben. 18 der 28 Mitgliedstaaten stimmten für eine Verlängerung der bisherigen Zulassung um fünf Jahre. Damit war die notwendige qualifizierte Mehrheit von 65,71 Prozent erreicht. Doch die hätte es offenbar nicht geben dürfen. Unmittelbar nach dem Votum verteilte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) eine erkennbar verärgerte Darstellung ihres Hauses. Demnach habe sie noch am Mittag ihren Amtskollegen aus dem Agraressort, Christian Schmidt (CSU), kontaktiert und die unterschiedlichen Positionen bekräftigt: Schmidt wollte Glyphosat weiter verlängern, Hendricks lehnte das ab. Der Bundeslandwirtschaftsminister habe diese Meinungsverschiedenheiten „um 13.07 Uhr per SMS bestätigt“, sagt Hendricks. Laut Koalitionsvertrag der geschäftsführenden Bundesregierung muss Deutschland sich dann in solchen Fällen der Stimme enthalten. Trotzdem erging nach Lage der Dinge parallel dazu eine andere Anweisung an den deutschen Vertreter im Brüsseler Vermittlungsausschuss, der daraufhin das „Ja“ Deutschlands aktenkundig machte. Glyphosat war damit zugelassen und Hendricks schäumte mit Blick auf die womöglich demnächst anstehenden Groko-Sondierungen: „Jeder, der an Vertrauensbildung zwischen Gesprächspartnern interessiert ist, kann sich so nicht verhalten.“ SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sprach sogar von einer „einsamen Entscheidung“, einem „Crash­kurs“ für die Verhandlungen und einer „schweren Belastung“.

Doch was ist das Problem mit Glyphosat? Der Unkrautvernichter gilt zwar als sehr wirksam, preiswert und wird auch weltweit in der Landwirtschaft genutzt. Dennoch führten Gegner und Befürworter den Streit um das Mittel mit großer Schärfe. Auslöser war ein Gutachten der Internationalen Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation, die den Wirkstoff 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte. Über eine Million EU-Bürger hatten daraufhin eine Petition unterzeichnet, in der sie einen Stopp des Herbizids forderten. Dagegen standen die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA, die Chemikalienagentur Echa sowie das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung, die keine ausreichenden Indizien für einen Krebsverdacht fanden. Das Umweltbundesamt wiederum äußerte erhebliche Bedenken gegen Glyphosat, die am Ende auch das EU-Parlament überzeugten. Die Volksvertretung der 28 Mitgliedstaaten hatte sich Ende Oktober für eine stark eingeschränkte Zulassung bis höchstens 2022 ausgesprochen.

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