Schluss mit dem "Wanderpokal"

Brüssel. Unter dem Druck der EU wird Deutschland in den nächsten Jahren ein Endlager für Atommüll errichten müssen. Nach monatelangem Streit haben die 27 Umweltminister der Union gestern die Pläne von Energiekommissar Günther Oettinger gebilligt

 Im Endlager Morsleben darf schwach und mittelradioaktiver Atommüll gelagert werden. Ein Lager für stark strahlenden Müll gibt es in Deutschland nicht. Foto: dpa

Im Endlager Morsleben darf schwach und mittelradioaktiver Atommüll gelagert werden. Ein Lager für stark strahlenden Müll gibt es in Deutschland nicht. Foto: dpa

Brüssel. Unter dem Druck der EU wird Deutschland in den nächsten Jahren ein Endlager für Atommüll errichten müssen. Nach monatelangem Streit haben die 27 Umweltminister der Union gestern die Pläne von Energiekommissar Günther Oettinger gebilligt. Sie sehen vor, dass alle 17 Mitgliedstaaten, in denen Atomkraftwerke in Betrieb sind, bis 2015 konkrete Pläne mit Zeitrahmen und Kostenvoranschlag für den Bau von Endlagern in Brüssel vorlegen müssen. "Nach Jahren der Untätigkeit verpflichtet sich die EU zum ersten Mal auf eine Endlagerung nuklearer Abfälle", sagte Oettinger, der vor seinem Wechsel nach Brüssel CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg war. "Durch diese Richtlinie wird die EU zur fortschrittlichsten Region, was die Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente betrifft."Die Bundesrepublik ist nun - wie die anderen EU-Länder auch - gezwungen, bis 2015 entsprechende Pläne einzureichen. Dabei gelten die Sicherheitsstandards der Internationalen Atomenergieorganisation nunmehr als rechtsverbindlich. Sollten die Unterlagen nicht den Anforderungen entsprechen, kann die Kommission von der nationalen Regierung Änderungen einfordern. Die Kosten sind von den Betreibern zu tragen. Ausdrücklich schreibt Brüssel vor, dass die "Öffentlichkeit über die Pläne informiert und in die Entscheidungsfindung eingebunden werden muss".

Anders als geplant, wird es kein Exportverbot geben. Grundsätzlich, so heißt es jetzt, sei eine Ausfuhr in Nicht-EU-Länder möglich. In diesem Fall müsse aber ein Endlager nach den Standards der Union im Augenblick des Exportes in Betrieb sein.

Deutschland will schnell handeln

Damit ist die "Flucht" ins Ausland praktisch unmöglich. Die Kommission: "Derzeit existieren nirgendwo auf der Welt derartige Endlager, und es befindet sich auch keines außerhalb der EU im Bau. Zurzeit werden mindestens 40 Jahre für Entwicklung und Bau eines Tiefenlagers veranschlagt." Damit, so wurde in Brüssel betont, sei die "Türe für ein Ausweichen in Drittstaaten endgültig zu". Einzige Ausnahme: Zwei oder drei Mitgliedstaaten könnten sich zusammenschließen, um gemeinsam ein Endlager zu betreiben.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen begrüßte den Beschluss des Ministerrates. Es sei richtig, von den Mitgliedstaaten das Aufstellen eines "nationalen Entsorgungsplanes zu verlangen, der umfassende Maßnahmen für die Entsorgung der bereits angefallenen und noch anfallenden radioaktiven Abfälle und bestrahlten Brennelemente umfasst". Der Minister kündigte an, dass die Bundesregierung noch 2011 einen Gesetzentwurf vorlegen werde. "Wie schon beim Ausstieg aus der Kernenergie strebt die Bundesregierung auch in dieser zentralen Entsorgungsfrage einen breiten gesellschaftlichen Konsens an." Zuvor hatte Energiekommissar Oettinger Berlin scharf kritisiert. "In Deutschland, aber auch anderswo, wird dieses Problem wie ein Wanderpokal von Regierung zu Regierung weitergegeben", sagte er. "Aber niemand kommt einer Lösung näher." Deshalb werde die Kommission nun konsequent auf die Einhaltung der beschlossenen Regelungen drängen.

Meinung

Schwere Last

für EU-Länder

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Es ist ein strahlendes Geschenk, das wir den nachfolgenden Generationen hinterlassen. Irgendwo in einer sicheren geologischen Formation sollen die Behälter mit Atommüll möglichst so entsorgt werden, dass sich niemand mehr drum kümmern muss. Das wird wohl kaum der Fall sein. Die Kommission hat den Regierungen in den 27 Mitgliedstaaten eine schwere Last aufgebürdet. Ein Netz von Endlager-Stätten ist, selbst wenn es sich unter geologischen Gesichtspunkten finden ließe, derart unpopulär durchzusetzen, dass die, die nun unter Druck geraten, am Ende mit ihrer politischen Existenz dafür bezahlen. Dabei muss auch dem, der aus der Atomkraft aussteigen will, klar sein, dass es solche strahlenden Grabstätten für das Ende dieser Energiequelle braucht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort