Deutlicher Anstieg der Beitragssätze Schlechte Stimmung in der Pflege

Berlin · Die Zahl der Pflegeleistungen ist dramatisch gestiegen und damit auch die Aufgaben des Personals.

 Die Situation in der Pflege ist schon heute angespannt – und wird sich laut Studien noch weiter verschärfen.

Die Situation in der Pflege ist schon heute angespannt – und wird sich laut Studien noch weiter verschärfen.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Frust in der Pflege, explodierende Kosten: Die steigende Zahl der Pflegebedürftigen setzt die Fachkräfte immer stärker unter Druck und treibt die Beiträge in die Höhe. Bereits in den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Empfänger von Pflegeleistungen auf zuletzt rund 3,3 Millionen verdoppelt, und sie wird weiter wachsen – bis zum Jahr 2045 auf rund fünf Millionen Menschen. Zu diesem Ergebnis kommt eine gestern veröffentlichte Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Deshalb muss der Beitragssatz der Pflegeversicherung der Studie zufolge bis zum Jahr 2045 von 3,05 auf 4,25 Prozent steigen. Das wären für ein heutiges Durchschnittseinkommen fast 550 Euro mehr im Jahr, teilte die Stiftung mit. Eingerechnet dabei ist, dass es mehr Pflegekräfte geben soll und diese besser als heute bezahlt werden sollen.

Bereits Anfang 2019 war der Beitragssatz um 0,5 Prozentpunkte angehoben worden. Bis 2022 dürfte laut Studie das Geld somit reichen. Doch ab 2025 wachsen die Ausgaben laut der Prognos-Erhebung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung weiter, ohne dass die Einnahmen entsprechend in die Höhe gehen. Eine der wichtigsten Ursachen für den Kostenanstieg ist der Studie zufolge die Alterung der Bevölkerung.

„Zur nachhaltigen Sicherung der Pflege bedarf es zusätzlicher Maßnahmen“, mahnte Studienleiter Stefan Etgeton. Er habe vor allem die Sorge, „dass die für die Versorgung in der Altenpflege benötigten Fachkräfte nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen“. Neben besserer Bezahlung und Personalausstattung gehe es den Pflege-Beschäftigten vor allem um arbeitnehmerfreundlichere Bedingungen, den Ausbau und die Anerkennung ihrer Kompetenzen und um selbstbestimmtes Arbeiten.

Bereits heute ist die Stimmung in der Pflegebranche eher pessimistisch. So beurteilten 2018 etwa 29 Prozent der Befragten die Qualität der Pflege nur als „mangelhaft“ (2017: 24 Prozent). Zu diesem Ergebnis kommt der „Care-Klima-Index“, eine Umfrage unter Pflegekräften, Ärzten, Pflegebedürftigen, Angehörigen, Kassen und Verbänden, die der Deutsche Pflegetag in Berlin vorstellte. Der Index wird seit 2017 erhoben.

„Es hat sich seit der letzten Befragung gezeigt, dass die Stimmung in der Pflege abgekühlt ist“, sagte die Leiterin des Forschungsprojekts, Stephanie Hollaus. Obwohl das Thema Pflege im vergangenen Jahr viel diskutiert wurde, finden laut der Studie 74 Prozent der Befragten, dass dem Bereich in der Politik nicht ausreichend Beachtung geschenkt wird (2017: 69 Prozent). Auch die Arbeitsbedingungen werden von 60 Prozent der Befragten als schlecht eingestuft (2017: 51 Prozent).

Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, betonte, die Pflege stehe oben auf der politischen Agenda – die bereits verabschiedeten Gesetze würden dies belegen. Am 1. Januar war ein Maßnahmenpaket in Kraft getreten, das die Personalnot in der Pflege lindern sollte. Das Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht unter anderem vor, 13 000 zusätzliche Stellen in der Altenpflege zu schaffen. Außerdem sollen sich die Arbeitsbedingungen, die Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf sowie die Bedingungen für die Pflege zu Hause verbessern. „Das war der erste notwendige Schritt“, sagte Westerfellhaus. Das Sofortprogramm würde aber natürlich kein Resultat „für die nächsten 30 Jahre“ liefern.

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