Groko — Ja oder Nein? Schlechte Sicht im Groko-Nebel

Berlin · Missstimmung nach Treffen bei Steinmeier: Merkel wartet – und SPD-Chef Schulz ist mächtig unter Druck. 

Nach dem vertraulichen Gespräch der Parteichefs von Union und SPD am Donnerstagabend mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier tauchten Meldungen auf, die SPD sei nun bereit zu Verhandlungen über eine große Koalition. Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz schäumte. „Schlichtweg falsch“ sei das, und wer das verbreite, zerstöre Vertrauen. Schulz telefonierte sogleich mit Angela Merkel, um sich Luft zu machen, denn er vermutete die Urheber in der Union.

Trotz Missstimmung geht es weiter in Sachen Regierungsbildung. Wenn auch sehr langsam. Und sehr leise. Schulz bewahrte nach dem Treffen mit Steinmeier Stillschweigen: „Wie Sie alle vermuten, haben wir Vertraulichkeit über dieses Treffen verabredet.“

Erst einmal will Schulz die SPD auf ihrem Parteitag nächste Woche beschließen lassen, dass man zu „ergebnisoffenen“ Gesprächen bereit ist. „Wir haben viele Optionen für eine Regierungsbildung“, sagte er am Freitag nach Beratungen im Parteipräsidium. Dazu zählt Schulz offenbar auch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung der Union, die die SPD in einem gewissen Umfang tolerieren könnte.

Der Vorsitzende wird damit der Stimmung in der Partei gerecht. Einerseits war in der Bundestagsfraktion, wo viele bei Neuwahl!en um ihr Mandat fürchten, nach dem Scheitern von Jamaika der Ruf nach Gesprächen über die Groko laut geworden. Schulz hatte sie vorher vehement abgelehnt. Andererseits starteten zum Beispiel die Jusos noch am Freitag eine parteiinterne Online-Petition mit dem Titel „#NoGroko – Für eine klare und glaubwürdige SPD“. Am Montag will der Vorstand beraten, welche genaue Formulierung er den Delegierten vorgelegen will. Bisher heißt es in dem Leitantrag: „Es ist ein desaströses Ergebnis, das uns kein Mandat für eine Regierungsbeteiligung gibt.“ Auch die Tagesordnung für den dreitägigen Parteitag will die SPD umwerfen. Zum Auftakt soll nach einer Rede von Schulz nun zunächst über die Linie für die Regierungsbildung debattiert und entschieden werden. Erst danach soll die Neuwahl der Parteispitze stattfinden, bei der sich Schulz zur Wiederwahl stellt.

Im „Spiegel“ stellte Schulz bereits Forderungen auf. „Die deutsche Europolitik muss sich ändern“, sagte er. „Eine positive Antwort auf Emmanuel Macron zu geben, wird ein Kernelement bei jeder Verhandlung mit der SPD sein.“ Zudem forderte er eine umfassende Erneuerung des Pflegesystems sowie der Gesundheitsversorgung. „Die Zwei-Klassen-Medizin muss abgeschafft werden.“ Für die CDU erklärte deren Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler die Bereitschaft zu Gesprächen über eine „stabile Regierung“. Zunächst müsse aber die Position der SPD abgewartet werden.

In Berlin war am Freitag die Einschätzung zu hören, dass es mit der Regierungsbildung bis zum Frühjahr dauern kann. Merkel dürfte schon aus Eigennutz kein Interesse daran haben, dass Schulz Schwierigkeiten hat. Sie will eine vorgezogene Neuwahl oder eine Minderheitsregierung unbedingt vermeiden. Denn sollten letztlich auch Verhandlungen mit der SPD platzen, stünde Merkel mit leeren Händen da – und nach zwölf Regierungsjahren statt vor einer vierten Amtszeit möglicherweise vor dem politischen Aus.

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