Schlappe für das Anti-Merkel-Lager

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ist ein Meister der Sprachregelungen. Weder er noch sonst ein Spitzenpolitiker des rechts-konservativen Regierungslagers brachten nach dem EU-Flüchtlingsreferendum das Wörtchen "ungültig" über die Lippen. Stattdessen tönte Orban am Sonntagabend vor seinen Anhängern von einem "großartigen Ergebnis". Schließlich stimmten 3,3 Millionen Wähler mit Nein auf die Frage, ob die EU im Rahmen eines europaweiten Quotensystems Asylbewerber nach Ungarn schicken dürfe. Das seien mehr Menschen, rechnete Orban vor, als im Jahr 2003, als etwas mehr als drei Millionen für den EU-Beitritt des Landes gestimmt hatten. Orban erwähnte freilich nicht, dass er es war, der nach seinem Regierungsantritt 2010 das Volksabstimmungsgesetz geändert hatte. Der Opposition oder unabhängigen Initiativen wollte er es erschweren, von dem Instrument des Referendums Gebrauch zu machen. Davor war eine Volksabstimmung gültig, wenn mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten dieselbe Antwort ankreuzten. Heute müssen mindestens 50 Prozent eine gültige Stimme abgeben.

Mit 40,4 Prozent gültigen Stimmen blieb das Ergebnis am Sonntag deutlich unter diesem Quorum. Somit ist die Volksabstimmung gescheitert, auch wenn 98,3 Prozent der gültig Wählenden mit Nein stimmten. Orban war von vornherein klar, dass das vorgeschriebene 50-Prozent-Quorum nicht leicht zu erfüllen war. Der Regierungschef und sein Stab ordneten deshalb eine Art totale Mobilisierung an.

Die öffentlich-rechtlichen Medien, regierungsnahe Internet-Portale, Gemeindebedienstete und Ministerialbeamte wurden in die beispiellose Propagandaschlacht eingespannt. Da wurde die Angst vor muslimischen Einwanderern geschürt. Das Referendum sollte Orban Munition für seine Ambitionen auf der EU-Bühne liefern. In den letzten Monaten hatte er sich als lautstarker Gegner der Asylpolitik der EU-Kommission und der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) in Stellung gebracht. Er schmiedete Allianzen mit Merkels koalitionsinternem Gegenspieler Horst Seehofer (CSU ) und mit den Partnerländern in der Visegrad-Gruppe (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei), die sich gegen die EU-Quoten für die Verteilung von Asylsuchenden zur Wehr setzen.

Die Vertreter der EU-Spitzengremien kanzelte Orban als "Elit en" ab, die sich den Wählern in den europäischen Ländern "entfremdet" hätten. Den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und den EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz beschimpfte er als "Nihilisten".

Das magere Ergebnis scheint Orban nicht von seinem konfrontativen Kurs abzubringen. Er vertrete nun 3,3 Millionen Wähler in Brüssel, erklärte er gestern. "Wir haben das Quotensystem (der EU) angegriffen." Mit 98 Prozent Nein-Stimmen im Rücken, "muss man kämpfen", so Orban.

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