Scheibchenweise zum Schattenkabinett

Vor vier Jahren nutzte der damalige SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier die idyllische Halbinsel Hermannswerder in Potsdam als Schauplatz, um den Medien mit großem Tamtam sein 18-köpfiges „Kompetenzteam“ für die anstehende Bundestagswahl zu präsentieren. Hilfreich war das nicht.

Kurz darauf fuhren die Sozialdemokraten bekanntlich das schlechteste Ergebnis ihrer Nachkriegsgeschichte ein. Vielleicht hat diese böse Erfahrung Steinmeiers Amtsnachfolger, Peer Steinbrück, dazu bewogen, die Präsentation potenzieller Minister-Aspiranten eher nüchtern anzugehen. Und vor allem scheibchenweise.

Gestern stellte der SPD-Kanzlerkandidat vor gewohnter Kulisse im Willy-Brandt-Haus die ersten drei Köpfe seines "Schattenkabinetts" offiziell vor. Insgesamt zehn bis zwölf sollen es werden. Dafür plant Steinbrück in nächster Zeit zwei weitere Vorstellungstermine. Die Inszenierung soll die Spannung am Kochen halten, was nicht unerheblich für den Wahlkampf ist. Der Aufschlag war allerdings wenig überraschend. Denn mit Gesche Joost, Thomas Oppermann und Klaus Wiesehügel standen drei Personen auf der Bühne, deren Namen schon vor Tagen durchgesickert waren. Sei's drum. Steinbrück versuchte das Beste aus der Situation zu machen. Als Volkspartei müsse die SPD ein "breites Spektrum" an Wählern erreichen, meinte der Kanzlerkandidat. Joost, Oppermann und Wiesehügel stünden dabei für drei wesentliche Gruppen - die intellektuellen "Impulsgeber", das "liberale, aufgeklärte Publikum" und die Arbeitnehmerschaft:

Gesche Joost, die politische Unbekannte. Joost, 1974 in Kiel geboren, ist Professorin für Designforschung an der Universität der Künste in Berlin. 2006 wurde sie als einer der "100 Köpfe von Morgen" im Rahmen der Regierungs-Initiative "Deutschland - Land der Ideen" ausgezeichnet. Mit Joost will sich die SPD vor allem der jungen Internet-Generation empfehlen und netzpolitische Akzente setzen. Ob es ein spezielles Internet-Ministerium geben könnte, ließ Steinbrück aber offen. Joost zählte schon zu Steinbrücks persönlichem Beraterkreis, als der noch Bundesfinanzminister war.

Thomas Oppermann, die politische Allzweckwaffe der Partei. Der 59-jährige Niedersachse war Kultusminister in Hannover und sitzt seit 2005 für die SPD im Bundestag. Seit 2007 ist der Jurist Parlamentarischer Geschäftsführer und damit Manager der Fraktion. Er ist bekannt für seine scharfen, oft sarkastischen Bemerkungen, vor allem über den politischen Gegner. Oppermann gilt als "multi-ministrabel" und wird bei den Genossen schon länger als möglicher Innen- oder Verteidigungsminister gehandelt.

Klaus Wiesehügel, der klassische Gewerkschaftsfunktionär. Der lang gediente Chef der IG Bau feierte am 1. Mai seinen 60. Geburtstag. Er saß zwischen 1998 und 2002 für die SPD im Bundestag und gehörte später - ganz anders als Steinbrück - zu den erbitterten Gegnern der Agenda 2010 sowie der Rente mit 67.

Bei Wiesehügel hakten die Medienvertreter gestern besonders hartnäckig nach. Und der gab sich auch keine große Mühe, politische Differenzen mit Steinbrück zu verbergen. Etwa bei der Rente mit 67. Auf dem Bau könne nun mal keiner bis dahin arbeiten, meinte Wiesehügel. Derweil erinnerte Steinbrück daran, dass sich die Rentenbezugsdauer in den letzten 30 Jahren verdoppelt habe, was als klares Plädoyer für ein höheres Renteneintrittsalter zu verstehen war. Dennoch beteuerte Steinbrück mehrfach, "keinerlei Schwierigkeit" mit Wiesehügel zu haben, und er ging sogar so weit, dem Gewerkschafter nach einem Wahlerfolg den Posten des künftigen Arbeitsministers zu versprechen, falls der das wirklich wolle. Offenbar will Wiesehügel. Kündigte er doch an, beim Gewerkschaftstag Anfang September nicht mehr für den Chefposten der IG Bau zu kandidieren. "Hopp oder topp", sagte Wiesehügel. Er denke, dass es Rot-Grün packen könne.

Laut Steinbrück stehen die weiteren Namen seines Teams schon zu "80 bis 90 Prozent" fest. Berichte, wonach auch Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig und die Hamburger Justizsenatorin Jana Schiedek dazugehören, mochte er aber nicht bestätigen. Steinbrück will das heitere Kandidatenraten am Laufen halten.

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