Schatten auf der Familienförderung
Berlin · Seit 2010 untersuchten Wissenschaftler im Auftrag der Bundesregierung die mannigfaltigen Förderinstrumente der deutschen Familienpolitik. Gestern wurden in Berlin die ernüchternden Ergebnisse der Studie vorgestellt.
Vor mehr als vier Jahren hatten Wissenschaftler im Auftrag der Bundesregierung damit begonnen, das Dickicht der ehe- und familienpolitischen Leistungen zu durchforsten. Das Ergebnis der gestern veröffentlichten Mammut-Studie ist wenig schmeichelhaft: Trotz immenser Kosten sind bestimmte Maßnahmen wenig effektiv und zum Teil sogar widersinnig.
Gut 200 Milliarden Euro lässt sich der Staat sämtliche Familienleistungen im Jahr kosten. Für Eltern mit einem Kind summiert sich die Unterstützung über die Jahrzehnte auf durchschnittlich etwa 118 000 Euro. Knapp die Hälfte davon entfällt allein auf das gezahlte Kindergeld . Rund drei Viertel der Gesamtausgaben haben die Wissenschaftler näher unter die Lupe genommen. Und zwar anhand von vier zentralen familienpolitischen Zielen: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Förderung der Kinder, wirtschaftliche Situation und die Erfüllung von Kinderwünschen. Unter dem Strich, so die Wissenschaftler, entfalten dabei gerade besonders teure Leistungen längst nicht immer die gewünschte Wirkung. Als besonders problematisch gilt ihnen das Ehegattensplitting und die beitragsfreie Mitversicherung.
Der Steuervorteil aus dem Ehegattensplitting , der zu Einnahmenverlusten in den öffentlichen Kassen von mehr als 20 Milliarden Euro führt, hat laut Untersuchung negative Auswirkungen auf die Beschäftigung von Frauen. Ohne diese Maßnahme läge ihre Beschäftigungsquote um etwa 2,7 Prozent höher. Nach dem Splitting ist der Vorteil umso größer, je höher der Einkommensunterschied zwischen beiden Ehepartnern ist. Das begünstigt die Einverdiener-Ehe. Tendiert der Verdienstunterschied dagegen gegen Null, ist das Splitting praktisch wirkungslos. 3,4 Millionen Familien würden nicht vom Ehegattensplitting profitieren, rechnete Familienministerin Manuela Schwesig (SPD ) vor. Dagegen käme es vielen Paaren zugute, die keine Kinder hätten.
Auch die beitragsfreie Mitversicherung für Ehepartner in der gesetzlichen Krankenversicherung - Kostenpunkt 12,6 Milliarden Euro jährlich - mindert laut Untersuchung den Erwerbsanreiz für Zweitverdiener. Und auch hier haben besonders gut betuchte Alleinverdiener-Ehen den größten Vorteil. Dazu ein Beispiel: Verdient der Partner monatlich allein 7000 Euro, kostet die Krankenversicherung für beide 628 Euro. Verdienen jedoch beide jeweils 3500 Euro, werden insgesamt 1085 Euro fällig.
Durch die negativen Erwerbsanreize würden das Ehegattensplittung sowie die beitragsfreie Mitversicherung "langfristig" zu Einkommensminderungen in Familien führen, heißt es in der Expertise. Ein durchweg positives Zeugnis stellen die Wissenschaftler dagegen dem Elterngeld aus. Die im Jahr 2007 eingeführte Lohnersatzleistung reduziere nicht nur das Armutsrisiko von jungen Familien, sondern führe auch zu einer höheren Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung und einem früheren beruflichen Wiedereinstieg von Müttern. Fast durchweg gute Noten bekam auch das Kindergeld . Es kostet jährlich etwa 41 Milliarden Euro und bewahrt laut Untersuchung 1,3 Millionen Familien vor dem Abrutschen in Hartz IV. Die "größten Effekte" im Hinblick auf alle zentralen familienpolitischen Ziele bescheinigen die Forscher allerdings der subventionierten Kindertagesbetreuung. Ohne die öffentlichen Gelder dafür wären 126 000 Mütter mit Kindern bis zu drei Jahren überhaupt nicht erwerbstätig.
Ministerin Schwesig sprach sich dafür aus, sämtliche Leistungen beizubehalten und manche davon auszubauen. So wie zum Beispiel den Kinderzuschlag für armutsgefährdete Familien. Auf eine weitere Erhöhung des Kindergeldes wollte sich Schwesig nicht festlegen. Die von der CSU durchgesetzte "Herdprämie" von monatlich 150 Euro für Familien, die ihr Kinder nicht in eine Kita schicken, war erst im vergangen Jahr eingeführt und deshalb auch nicht mehr untersucht worden.