Flüchtlingspolitik Scharfe Kritik an Pariser Migrationsgipfel

Paris · Damit weniger Flüchtlinge über das Mittelmeer kommen, will Europa enger mit Ländern in Afrika kooperieren. Das halten viele für grundfalsch.

Die Beschlüsse des Pariser Migrationsgipfels sorgen für scharfe Kritik. Menschenrechtsorganisationen und die Opposition in Deutschland warfen den Gipfel-Teilnehmern vor, eine europäische Abschottungspolitik zu betreiben und Fluchtursachen nicht zu bekämpfen. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl wählte deutliche Worte. „Man kooperiert mit Verbrechern. Das muss man klar formulieren“, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt gestern dem Bayerischen Rundfunk. Das Auswärtige Amt habe zu Recht darauf hingewiesen, dass es in den Haftlagern Libyens zu Folter, Vergewaltigungen und Hinrichtungen komme.

Beim Migrationsgipfel hatten sich am Montagabend mehrere EU-Staaten darauf verständigt, Schutzbedürftigen aus Afrika legale Wege nach Europa zu ermöglichen. Dazu wollen Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien enger mit den afrikanischen Transitstaaten Niger, Tschad und Libyen zusammenarbeiten. Die Nordgrenzen der Länder sollen verstärkt gesichert werden. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hatte erklärt, Flüchtlinge sollten schon in Niger oder Tschad erfasst werden. Dort solle dann bereits entschieden werden, wer Asylrecht genießt und legal nach Europa reisen darf. Die Koordinierung soll vor Ort das UN-Flüchtlingshilfswerk übernehmen.

Die Vereinten Nationen begrüßten die Ergebnisse des Gipfels. Die angekündigte enge Kooperation zwischen EU-Staaten und Transitländern sei ermutigend, erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, in Genf. Die Flüchtlingskrise könne langfristig nur entschärft werden, wenn in den konfliktgeplagten Herkunftsländern ein stabiler Frieden herrsche und die Menschen wirtschaftliche und soziale Sicherheit hätten.

Pro Asyl sprach indes von einer „Irreführung der Öffentlichkeit“. Die Bereitschaft zur Aufnahme von Menschen sei in Europa „nicht in Sicht“. Auch Amnesty International äußerte Kritik. „Migrationskooperationen mit dem Tschad, mit Niger und Libyen schätzt Amnesty zum gegenwärtigen Zeitpunkt wegen der dortigen Menschenrechtssituation als problematisch ein“, erklärte die Menschenrechtsorganisation.

Kritik gab es in Deutschland auch von der Opposition. Der „Mini-Gipfel“ habe nur ein Ziel gehabt, sagte die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) gestern im Deutschlandfunk: „Zu verhindern, dass Geflüchtete bei uns in Europa überhaupt ankommen – koste es, was es wolle.“ Auch der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold bemängelte, Europa bekämpfe „mit aller Kraft die Ankunft von Flüchtlingen, nicht aber die Fluchtursachen“. Europa trage durch subventionierte Agrarexporte eine Mitverantwortung für Fluchtursachen. Auch kümmerten sich die europäischen Staatschefs zu wenig um Korruptionsbekämpfung. Linken-Chefin Katja Kipping erklärte. „Dieser Gipfel diente nicht dazu, reale Lösungen für bessere Lebensverhältnisse in den Maghreb-Staaten oder Subsahara-Afrika herbeizuführen“. Die „erste Welt“ solle weiter von der „dritten“ abgeschottet werden.

Unionsfraktionschef Volker Kauder betonte im ZDF, dass die Lage von Flüchtlingen sich auch in Libyen verbessern müsse. Das eigentliche Ziel sei jedoch, dass Flüchtlinge aus südlicheren Ländern gar nicht mehr nach Libyen gingen, sondern Perspektiven in ihren Herkunftsländern erhielten. Zuletzt seien mehr Menschen in der afrikanischen Wüste gestorben als im Mittelmeer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort