Sarrazin legt sich mit dem Bundespräsidenten an

Berlin. Im Münchner Literaturhaus steht das Telefon nicht mehr still. Die Diskussionsrunde mit Thilo Sarrazin am 29. September ist längst ausverkauft. "Der Ansturm ist unglaublich", sagt Sprecherin Marion Bösker. Viele wollten noch Karten, andere fürchteten, der Termin könnte abgesagt werden. "Das Publikum will keine Zensur. Die wollen über das reden, was sie bewegt

Berlin. Im Münchner Literaturhaus steht das Telefon nicht mehr still. Die Diskussionsrunde mit Thilo Sarrazin am 29. September ist längst ausverkauft. "Der Ansturm ist unglaublich", sagt Sprecherin Marion Bösker. Viele wollten noch Karten, andere fürchteten, der Termin könnte abgesagt werden. "Das Publikum will keine Zensur. Die wollen über das reden, was sie bewegt." Trotz Drohungen aus der linken Szene sucht das Literaturhaus deshalb einen neuen Veranstaltungsort - mit deutlich mehr Plätzen.Ob München, Menden oder Sindelfingen, ob kleiner Buchladen oder große Online-Buchhandlung: Sarrazins Werk "Deutschland schafft sich ab" findet reißenden Absatz, die Veranstalter von Lesungen und Podiumsdiskussionen mit dem Bundesbanker werden regelrecht überrannt. In Potsdam und Berlin haben die Organisatoren bereits Ausweichquartiere gefunden, nachdem zwei Kulturzentren die geplanten Termine kurzfristig abgesagt hatten, um Sarrazin keine Bühne zu bieten.Unterdessen hat Sarrazin Bundespräsident Christian Wulff, der über die Abberufung des umstrittenen Buchautors aus dem Bundesbank-Vorstand entscheiden muss, vor einem "Schauprozess" gewarnt. "Der Bundespräsident wird sich genau überlegen, ob er eine Art politischen Schauprozess vollenden will, der anschließend von den Gerichten kassiert wird", sagte Sarrazin. Er gehe davon aus, dass sich Wulff nicht ohne Anhörung einem Schnellverfahren anschließe, zumal er die Stärkung der Demokratie und des offenen Diskurses als sein Zentralthema gewählt habe. Wulff ließ den Vorwurf "Schauprozess" zurückweisen. "Das Verfahren wird selbstverständlich und ausschließlich nach Recht und Gesetz durchgeführt", sagte sein Sprecher Olaf Glaeseker. Derweil haben sich Spitzenpolitiker mehrerer Parteien als Folge der Sarrazin-Affäre für eine offene Auseinandersetzung mit Problemen im Zusammenleben mit Migranten ausgesprochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich dafür aus, die statistisch erhöhte Gewaltbereitschaft strenggläubiger muslimischer Jugendlicher nicht zu tabuisieren: "Das ist ein großes Problem und wir können offen darüber sprechen, ohne dass der Verdacht der Fremdenfeindlichkeit aufkommt", sagte die Kanzlerin. SPD-Chef Sigmar Gabriel rief seine Partei dazu auf, sich "intensiver und offensiver" der Integration zu widmen. Der Ärger der Menschen dürfe nicht verschwiegen oder nur in den Kneipen besprochen werden. dpa/ddp

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