Saartalk „Die großen Herausforderungen liegen vor uns“

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Heiko Maas (SPD) wollen das Profil ihrer Parteien schärfen, aber den Koalitionsfrieden wahren.

Die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und der Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD, r.) stellten sich den Fragen von SR-Chefredakteur Norbert Klein (2. v. l.) und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst (2. v. r.) im „Saartalk“, der dieses Mal im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin aufgezeichnet wurde.

Die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und der Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD, r.) stellten sich den Fragen von SR-Chefredakteur Norbert Klein (2. v. l.) und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst (2. v. r.) im „Saartalk“, der dieses Mal im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin aufgezeichnet wurde.

Foto: k r o h n f o t o . d e

Der Saartalk ist ein gemeinsames Format von SR und SZ. Diesmal stellten sich die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) den Fragen der Chefredakteure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ). Nora Ernst hat das Gespräch in Auszügen dokumentiert.

HERBST Zwei Saarländer in der Bundeshauptstadt: Was fehlt Ihnen in Berlin am meisten?

KRAMP-KARRENBAUER Vor allem meine Familie. Ich pendle am Wochenende nach Hause, um sie zu sehen, aber über die Woche fehlt mir das schon ein bisschen.

SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst begrüßt die gut gelaunte CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer.

SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst begrüßt die gut gelaunte CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer.

Foto: k r o h n f o t o . d e

KLEIN Fremdeln Sie immer noch ein bisschen mit dem Berliner Ambiente oder haben Sie sich daran gewöhnt?

MAAS Als Bundesaußenminister hat man das Glück, nicht immer in Berlin sein zu müssen (lacht). Was ich sicher vermisse, ist diese Nähe, die es im Saarland gibt. Man kennt jede Ecke, man hat überall Bekannte. Das ist in Berlin anders. Die Stadt ist so groß, man kommt jeden Tag an eine Ecke, die man noch nicht kennt. (...)

HERBST Als Putzfrau Gretel haben Sie in der Narrenschau zusammengefasst: In Berlin wird viel geschwätzt, aber wenig beschlossen. Wie würde die CDU-Bundesvorsitzende das zusammenfassen?

KRAMP-KARRENBAUER Mit Blick auf das letzte Jahr ganz sicherlich auch so. Da hat allerdings auch meine Partei im Zusammenspiel mit der CSU ihren Beitrag dazu geleistet. Trotzdem ist einiges auf den Weg gebracht worden (...). Aber die großen Herausforderungen liegen auch vor uns. Aus meiner Sicht – auch mit Blick auf die Auswirkungen auf das Saarland – ist die größte Herausforderung: Wie schaffen wir modernen Klimaschutz, ohne dass wir den Weg einer Deindustrialisierung gehen? (...)

KLEIN In den Umfragen gibt es plötzlich wieder Aufwind für die SPD. Hat die Profilierung in sozialpolitischen Themen dazu beigetragen?

MAAS (...) Ich glaube, dass die SPD, was soziale Themen angeht, klar aufgestellt sein muss. Wir haben so viel über diese Themen geredet, über Hartz IV, und keiner wusste so genau, was die Linie ist, die wir haben. Die ist in den letzten Wochen sehr deutlich geworden. Man sieht das auch in den Umfragen. Das hilft der SPD, das ist aber nicht der erste Grund, weshalb man es macht. Aber eine sozialdemokratische Partei muss, was die Sozialthemen angeht, auf einem guten Fundament stehen. (...)

Bundesaußenminister Heiko Maas, hier mit SR-Chefredakteur Norbert Klein, musste nach der Sendung direkt zu einer namentlichen Abstimmung im Bundestag.

Bundesaußenminister Heiko Maas, hier mit SR-Chefredakteur Norbert Klein, musste nach der Sendung direkt zu einer namentlichen Abstimmung im Bundestag.

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KLEIN Wie lange hält man das durch in einer Koalition, dass man die Unterschiede beim Regierungshandeln betont? Wann kommt der Punkt, an dem man sagt, lass uns Neuwahlen machen?

KRAMP-KARRENBAUER Ich halte überhaupt nichts davon, dass wir permanent darüber reden, wie diese Regierung beendet werden könnte. Wenn man sich ein bisschen umschaut in Europa, in der Welt, glaube ich, gibt es ein großes Interesse daran, dass man eine politische Stabilität in Deutschland hat. (...) Der zweite Punkt ist, dass wir einen Koalitionsvertrag haben, den gilt es umzusetzen. Darüber hinaus ist jede Partei dabei, eigene Konzepte zu entwickeln. Was aus meiner Sicht auch notwendig ist: Wenn man gemeinsam schwierige Entscheidungen getroffen hat – das erleben wir gerade in Brüssel mit Blick auf das Leistungsschutzrecht –, dass man das dann auch gemeinsam als Regierung nach außen vertritt. Da erkenne ich mit Blick auf den Koalitionspartner noch Luft nach oben.

HERBST Frau Kramp-Karrenbauer hat im Anschluss an das Werkstattgespräch zur Flüchtlingspolitik eine Grenzschließung als Ultima ratio thematisiert. Wie sehr hat Sie das überrascht?

MAAS (...) Ich finde es nicht überraschend, dass es bei der Diskussion, die in der CDU stattfindet, und vor allem auch in der CSU, auch neue Elemente gibt, die auch konservativer sein mögen. Letztlich muss man das innerhalb der Union entscheiden. Ich glaube nur, man darf nicht den Eindruck erwecken, dass das ein Fehler gewesen ist (was die Kanzlerin 2015 entschieden hat). (...) Wir werden das Thema jetzt auf europäischer Ebene lösen müssen. Es kann nicht sein, dass es andere in Europa gibt, die damit nichts zu tun haben wollen. (...) Das heißt, dass Menschen, die zu uns kommen, natürlich auch von anderen Ländern aufgenommen werden müssen, dass wir einen Verteilmechanismus brauchen. Da müssen gar nicht alle mitmachen. Ich glaube nicht daran, dass es Ungarn oder zumindest Viktor Orbán jemals tun wird. Aber dann müssen diese Länder an anderer Stelle Verantwortung übernehmen. Dann müssen sie bei der Bekämpfung von Fluchtursachen mehr Engagement zeigen, auch finanzielles Engagement. (...)

KLEIN Frau Kramp-Karrenbauer, Ihre Position ist eindeutig eine andere als die der Kanzlerin. Könnte man sagen, das wird von der Bundesvorsitzenden auch erwartet, nämlich „CDU pur“ zu liefern, eine CDU ohne Angela Merkel?

KRAMP-KARRENBAUER Nein, ich glaube, dass sehr deutlich geworden ist, dass 2015 eine Ausnahmesituation, eine Abwägungsfrage war. Ich habe immer sehr deutlich gemacht, dass ich die Abwägung damals für richtig gehalten habe. (...) Das Hauptproblem war, dass wir es dazu kommen ließen, dass sich die Situation zuspitzt. Wir müssen in einem wirklich gut aufgesetzten Monitoring-Prozess die Dinge sehr eng im Blick behalten, damit wir möglichst nicht mehr in eine solche zugespitzte Lage kommen. (…) Jetzt muss darüber gesprochen werden, was von den Vorschlägen, die die Experten im Werkstattgespräch gemacht haben, in die Parteiarbeit einfließt.

KLEIN Ohne Merkel?

KRAMP-KARRENBAUER Nein, „CDU pur“ heißt natürlich auch mit der Bundeskanzlerin. (...) Angela Merkel ist Teil des Präsidiums, des Bundesvorstands und Teil dieser CDU. Da gibt es überhaupt keine künstliche Distanzierung.

HERBST Die SPD sagt, eine Grundrente ohne Bedürfnisprüfung ist gerecht. Die CDU sagt, nur eine Grundrente mit Bedürfnisprüfung ist gerecht. Warum irrt die CDU?

MAAS Weil wir aus der Lebenswirklichkeit die Erfahrung gemacht haben, dass diese Prüfung zu Ergebnissen führt, die kein Mensch haben will, also dass Dinge, die man lange angespart hat, Leistungen, die man erbracht hat, gegengerechnet werden. Das empfinden viele Menschen als nicht gerecht. Das muss man auch zur Kenntnis nehmen. (...)

HERBST Warum irrt die SPD?

KRAMP-KARRENBAUER (...) Wir haben ausdrücklich im Koalitionsvertrag gesagt, wir wollen Situationen entschärfen, etwa dort, wo jemand Grundsicherung beantragen könnte, der in der Rente knapp darüber liegt und selbst genutztes Wohneigentum dafür angerechnet wird. Aber wir haben eben auch viele Konstellationen – die typische Hinzuverdienerfamilie etwa – wo man, wenn man das gesamte Haushaltseinkommen sieht, feststellt, da gibt es keine Bedürftigkeit. Ich meine, diese Rente fällt ja nicht vom Himmel. Sie wird finanziert entweder durch Geld der Beitragszahler oder durch das Geld der Steuerzahler (...).

HERBST Sie sind der Vielflieger der Bundesregierung. Wie stark belastet das Amt als Außenminister das Privatleben und Ihre Beziehung zu Natalia Wörner?

MAAS Die Tatsache, dass man als Außenminister viel unterwegs ist, schlägt sich natürlich auf das Privatleben nieder. Das weiß man vorher, darüber muss man sich auch vorher im Klaren sein. Aber natürlich gibt es auch Möglichkeiten, so etwas so zu organisieren, dass man auch noch ein Privatleben hat. (…)

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