Saarbrücker Zeitung siegt im Streit um die Meinungs- und Pressefreiheit

Karlsruhe/Saarbrücken. Der Fall begann am 14. September 2007 und beschäftigte zwei Jahre lang die Gerichte. Im Kern ging es um die Frage, ob eine Zeitung auch beim klassischen Stilmittel des Wortlaut-Interviews die Pflicht hat, den Wahrheitsgehalt der Aussagen vor Abdruck zu überprüfen und sich von kritischen Äußerungen notfalls zu distanzieren

Karlsruhe/Saarbrücken. Der Fall begann am 14. September 2007 und beschäftigte zwei Jahre lang die Gerichte. Im Kern ging es um die Frage, ob eine Zeitung auch beim klassischen Stilmittel des Wortlaut-Interviews die Pflicht hat, den Wahrheitsgehalt der Aussagen vor Abdruck zu überprüfen und sich von kritischen Äußerungen notfalls zu distanzieren. Die Saarbrücker Zeitung war aufgrund der so genannten Verbreiterhaftung belangt worden. In der dritten und letzten Instanz setzte sich nun die Rechtsauffassung der Saarbrücker Zeitung durch.

Der Rechtsstreit Markwort (Foto: ddp) versus SZ begann mit dem Abdruck des Interviews mit dem Kabarettisten Roger Willemsen (Foto: dpa) und der Überschrift "Heute wird offen gelogen". Unter anderem stellte Willemsen darin die Behauptung auf: "Das "Focus"-Interview, das Markwort mit Ernst Jünger geführt haben will, war schon zwei Jahre zuvor in der Bunten erschienen". Aufgrund dieser Aussage fühlte sich "Focus"-Chefredakteur Helmut Markwort in seinen "allgemeinen Persönlichkeitsrechten" verletzt und verlangte eine Unterlassungsverpflichtungserklärung. Die SZ wehrte sich dagegen, weil sie die Ansicht vertrat, nach bestem Wissen und Gewissen journalistisch fair und objektiv berichtet zu haben. Der Münchner Helmut Markwort klagte daraufhin gegen die SZ - in Hamburg. Dieser Gerichtsstand wird gern gewählt, weil die dortige Kammer des Landgerichts als besonders "presse-kritisch" gilt und die Erfolgsaussichten der Kläger höher scheinen. Tatsächlich gaben sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht der Klage statt und verurteilten die SZ "im Namen des Volkes" (Az: 324 O 998/07 und 7 U 37/08). Die Äußerung Willemsens sei eine Tatsachenbehauptung, die geeignet sei, Markwort in seinem öffentlichen Ansehen herabzusetzen. Die kritisierte Passage hätte zuvor auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden müssen, zudem hätte sich die SZ von der Äußerung erkennbar distanzieren müssen.

Gestern nun hob der Bundesgerichtshof in Karlsruhe diese Urteile auf (Az: VI ZR 226/08). Die höchste Instanz stufte die Willemsen-Äußerung nicht als Tatsachenbehauptung ein, vielmehr sprach der Vorsitzende Richter Gregor Galke von einer "nicht gegen den Kläger persönlich gerichteten Meinungsäußerung mit einem wahren Tatsachenkern" (Auch wenn Markwort das Interview nicht persönlich führte, so war er als Chefredakteur verantwortlich für den teilweisen Nachdruck des Jünger-Interviews in der "Bunten"). Zwar sei Markwort durchaus in seinem Persönlichkeitsrecht tangiert, meinte der BGH, doch überwiege das Interesse der Öffentlichkeit an der Wahrheit und Seriosität der Medienarbeit. Markworts Persönlichkeitsschutz habe deshalb hinter dem Recht der SZ auf Presse- und Meinungsfreiheit zurückzutreten.

Hintergrund

Stein des Anstoßes war ein Interview der Saarbrücker Zeitung mit dem Kabarettisten Roger Willemsen, der mit seinem Bühnenprogramm "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort" in Saarbrücken gastierte. Es ging um das Thema "Lüge".

Auf die Frage: Bringen Sie in Ihrem Programm auch neue Lügen ans Tageslicht? antwortete Willemsen (hier ein Auszug des Interviews): "Wir haben den Ehrgeiz, ein paar Lügen aufzudecken ( . . ) Das "Focus"-Interview, das Markwort mit Ernst Jünger geführt haben will, war schon zwei Jahre zuvor in der Bunten erschienen." bb

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