Rutschpartie auf Schnee und Eis wird bald teuer

Berlin. Tief Gundula nimmt keine Rücksicht auf das deutsche Gesetzgebungsverfahren. Noch vor Inkrafttreten der Winterreifen-Pflicht von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) beschert Gundula Schnee und Eiseskälte. Doch viele Autofahrer haben sich ohnehin längst auf die neue Regelung eingestellt

Berlin. Tief Gundula nimmt keine Rücksicht auf das deutsche Gesetzgebungsverfahren. Noch vor Inkrafttreten der Winterreifen-Pflicht von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) beschert Gundula Schnee und Eiseskälte. Doch viele Autofahrer haben sich ohnehin längst auf die neue Regelung eingestellt. Studien zufolge kümmern sich etwa 85 Prozent der Autofahrer nach dem Motto "von Oktober bis Ostern" um eine passende Ausrüstung ihres Autos in der kalten Jahreszeit.

Nach längeren Beratungen mit Verbänden und den Ländern soll die erst für Oktober geplante Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) nun morgen vom Bundesrat abgesegnet werden und nächste Woche in Kraft treten. Als Winterreifen gelten dann auch alle Reifen mit dem M(atsch)+S(chnee)-Symbol, also Ganzjahres- oder Allwetterreifen. Es wird ein Run von bisherigen Winterreifen-Muffeln erwartet. Die Reifenindustrie lieferte gut 20 Prozent mehr M+S-Reifen an den Fachhandel als 2009, so der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk.

Die Neuregelung war wegen eines Urteils des Oberlandesgerichts Oldenburg notwendig geworden. Bußgelder bei falscher Bereifung seien verfassungswidrig, weil die Regelungen zu schwammig seien, so die Richter. Bisher hieß es nur, dass die Ausrüstung von Fahrzeugen "an die Wetterverhältnisse anzupassen" ist. Hierzu zählte insbesondere die "geeignete Bereifung" - ohne zu erklären, was genau damit gemeint ist.

Bei der neuen Winterreifen-Pflicht wird kein fester Zeitraum festgelegt. In dem Verordnungsentwurf heißt es, dass "bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte" ein Kraftfahrzeug nur mit Reifen gefahren werden darf, die der EU-Richtlinie über Reifen von Kraftfahrzeugen und Anhängern entsprechen. Vorgeschrieben ist eine Profiltiefe von mindestens 1,6 Millimetern. Der ADAC rät zu mindestens vier Millimetern. So sei bei Schnee und Matsch der Halt viel besser.

40 Euro Bußgeld

Um alle Autofahrer zum Reifenwechsel zu motivieren, lässt Ramsauer das Bußgeld erhöhen: Statt 20 Euro müssen künftig 40 Euro bezahlt werden, wenn Autofahrer bei Schnee oder Glätte von der Polizei mit Sommerreifen erwischt werden. Wenn ein falsch bereiftes Auto den Verkehr behindert, sind 80 Euro zu berappen. Wer sein Auto nur parkt, bekommt keinen Ärger.

Ein Problem ist die weiterhin fehlende klare Definition, was ein Winterreifen eigentlich ist - in dem Entwurf für die Änderung der Straßenverkehrsordnung fehlt der Begriff "Winterreifen" sogar ganz. Ob ein Reifen der Pflicht entspricht, kann am besten der Händler sagen. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) fordert, dass EU- weit Mindesteigenschaften von Winterreifen festgelegt werden. "Die Kennzeichnung durch ein einheitliches, rechtlich verankertes Symbol ist unbedingt anzustreben", sagt DVR-Präsident Walter Eichendorf.

Ramsauers Ziel ist es auch, mit der Winterreifen-Pflicht die Gefahr durch querstehende Lastwagen zu minimieren. Doch das sei mehr als fraglich, moniert der Auto-Club Europa. Denn auch Lkw dürften künftig auf der Antriebsachse mit Allwetterreifen unterwegs sein, ohne gegen die Reifenpflicht zu verstoßen. Der ADAC hingegen sieht hierin keinen Kritikpunkt, da Lastwagen auch mit tieferem Profil wegen der hohen Lasten bei stockendem Verkehr Probleme hätten. Bei Schnee und Matsch an Anstiegen helfe dann meist nur eins, so der ADAC-Experte Jürgen Grieving: "Da geht es nur noch mit Schneeketten."

Hintergrund

Die saarländischen Reifenhändler sind seit Wochen im Dauerstress. "Es brummt, das ist schon heftig", sagt Albert Rothbrust von Vergölst in Saarbrücken. Ähnlich sieht es bei Reifen Blank in Riegelsberg aus. "Unser Terminkalender ist seit Anfang Oktober voll", erklärt Werner Blank: "Und gerade in den letzten zwei, drei Tagen gab es nochmals verstärkt Anfragen." Das liegt aus Sicht des Experten aber weniger an der bevorstehenden Winterreifen-Pflicht, sondern schlicht an den kühlen Temperaturen. Kurzfristig einen Termin zum Reifenwechsel zu bekommen, wird jedenfalls nicht überall funktionieren.

Und nicht immer wird auch das gewünschte Fabrikat zur Verfügung stehen. "Es gibt jede Menge Engpässe. Teilweise haben die Hersteller zu wenig produziert", sagt Blank. Sein Kollege Thomas Kiefer von Reifen Kiefer in Saarbrücken ergänzt: "Bei bestimmten Nischenprodukten muss man mit Preisaufschlägen rechnen." Zwar hätten sich viele Autofahrer frühzeitig gekümmert, durch die Wettermeldungen erwartet Kiefer jetzt aber noch einmal einen Schwung an Nachfragen. tho

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