Ruhe an der SteuerfrontWahlprogramm der CDU/CSU hält soziale Marktwirtschaft hoch

Berlin. Ein kleines Déjà-vu gab es dann doch am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor. Gut, Edmund Stoiber ist nicht mehr, der neue starke Bayer von der CSU heißt Horst Seehofer. Und FDP-Chef Guido Westerwelle war erst gar nicht mit dabei

Berlin. Ein kleines Déjà-vu gab es dann doch am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor. Gut, Edmund Stoiber ist nicht mehr, der neue starke Bayer von der CSU heißt Horst Seehofer. Und FDP-Chef Guido Westerwelle war erst gar nicht mit dabei. Aber wie vor vier Jahren, als Union und Liberale am Pariser Platz Nummer drei im dortigen Kongresszentrum einer Bank ihren legendären "Wechselgipfel" veranstalteten, hieß es gestern für die Vorstände von CDU und CSU: selbe Stelle, selber Ort, um als letzte Partei den programmatischen Aufbruch in den Wahlkampf zu beschließen.

2005 ging alles schief, gestern klatschten Mitglieder des "Teams Deutschland", der Wahlkampftruppe der CDU, den Ankommenden umso mehr motivierenden Beifall. Vor der Türen stand ein Podium in Deutschlandfarben, selbst der Teppichboden am Eingang war mit einer schwarz-rot-goldenen Seitennaht versehen worden - die C-Parteien mochten es staatstragend, um im noblen Ambiente ihr Regierungsprogramm bis 2013 zu verabschieden. Nach Wochen der teils heftigen Diskussion wurde das 62-seitige Programm nach nur drei Stunden abgenickt. Drei Änderungen gab es noch, so wurde zum Beispiel die Kindergartenpflicht für das letzte Jahr wieder gestrichen. Vor allem CDU-Generalsekretär und Programmmacher Ronald Pofalla konnte aber kräftig durchatmen.

Manch einer dürfte allerdings die Faust in der Tasche geballt haben, drohen doch nun im Wahlkampf unangenehme Fragen: Die Union will die Steuern in zwei Stufen senken, legt sich aber auf kein Datum fest. Und von allen Seiten werden die Stimmen lauter, die sagen, Steuererhöhungen nach der Bundestagswahl sind wegen der Wirtschaftskrise viel wahrscheinlicher als Entlastungen. In Erklärungsnot sind die Unions-Wahlkämpfer zudem aus den eigenen Reihen gebracht worden: Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger und sein Kollege Wolfgang Böhmer aus Sachsen-Anhalt waren mit einer höheren Mehrwertsteuer und der Anhebung des Spitzensteuersatzes vorgeprescht. Gestern blieben sie der Inszenierung am Pariser Platz sicherheitshalber fern, "offizielle Verpflichtungen", hieß es. Doch Parteifreunde unkten, dass sich beide wohl nicht der Kritik ihrer Kollegen aussetzen wollten. Merkel betonte, auch Oettinger trage das Programm mit.

"Mit mir ist eine Steuererhöhung in der nächsten Legislaturperiode nicht zu machen", wiederholte sie. 2005 erlitt Merkel mit einem Programm der Zumutungen fast Schiffbruch, das soll sich nicht wiederholen. Eine Haushaltskonsolidierung "Schritt für Schritt" kündigte sie an, man dürfe Wachstum nicht "ersticken, in dem wir zu sehr einsparen". Bewusst betonte die Kanzlerin mehrfach, dass es sich um "moderate Entlastungen" handele, die das Programm vorsehe. Die CDU-Chefin hofft nun auf innerparteiliche Ruhe an der Steuerfront, auf ein geschlossenes Bild der Union und will sich heute bei einem großen Programm-Kongress der Schwestern ausgiebig feiern lassen. Doch das wäre ein politisches Wunder angesichts der Tatsache, dass sie sich mit einer ganzen Reihe von eitlen und machtbewussten Ministerpräsidenten konfrontiert sieht. Ungewöhnlich viele nahmen gestern an der Sitzung auch gar nicht erst teil. "Abweichende Meinungen" könne man sowieso nicht ausschließen, erklärte Merkel.

Wenn einer zumindest in der Steuerfrage verlässlich scheint, dann ist es CSU-Chef Seehofer. Ausnahmsweise, ansonsten lässt der Bayer keine Gelegenheit aus, programmatisch sprunghaft zu sein. "Wir werden einen Kompetenzwahlkampf erleben", befand der Bayer. Mit seiner Forderung nach einem konkreten Datum wie 2011 oder 2012 für Entlastungen konnte er sich jedoch nicht durchsetzen. Man sei sich ja in der Substanz einig, kommentierte Seehofer. Außerdem hätten sich CDU und CSU auf "das beste Regierungsprogramm" geeinigt, dass es bislang seitens der Schwestern gegeben habe. Ob der Wähler das genauso sehen wird?Steuern: Die Union verspricht, die schleichende Steuererhöhung aufgrund des Tarifverlaufs ("kalte Progression") zu mildern. Dafür soll der Eingangssteuersatz in einem ersten Schritt von bislang 14 Prozent auf 13 Prozent und in einem zweiten Schritt auf zwölf Prozent gesenkt werden. Familien und Bildung: Die Union ist für die Einführung eines Teilelterngeldes für Eltern, die Teilzeit arbeiten und das Elterngeld dafür länger beziehen. Ab 2013 soll es ein monatliches Betreuungsgeld für Eltern geben, die keinen Krippenplatz in Anspruch nehmen. Der Besuch des Kindergartens soll langfristig kostenlos sein. Dass dieser ein Jahr vor der Einschulung verpflichtend gemacht werden soll, wurde wieder gestrichen. Arbeit: CDU und CSU sind gegen einen gesetzlichen Mindestlohn. Zur Verhinderung von Lohndumping soll jedoch das Verbot sittenwidriger Löhne gesetzlich klargestellt werden. Der Freibetrag beim Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger soll erhöht werden. Finanzmärkte: Die Bankenaufsicht in Deutschland soll unter einem Dach zusammengeführt werden und nicht mehr einzeln aus Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und Bundesbank bestehen. Gesundheit: Die Union lehnt eine "staatliche Einheitsversicherung" ab, schließt aber Korrekturen am Gesundheitsfonds nicht aus. Energie: Für die Union ist die Atomkraft ein "vorerst unverzichtbarer Teil" im Energiemix. Eine Laufzeitverlängerung der deutscher Atomkraftwerke wird angestrebt, Neubauten von Werken werden aber abgelehnt. Integration: Eine Vereinheitlichung des Asylrechts in der EU lehnt die Union ab, da es zur Aufweichung des "deutschen Asylkompromisses" führe. Bundeswehr: Die Union will eine Rechtsgrundlage schaffen, damit die Bundeswehr im Inneren bei Terroranschlägen eingesetzt werden kann. Koalitionsaussage: Die Union will "in der nächsten Legislaturperiode eine Regierung mit der Freien Demokratischen Partei bilden". Andere Koalitionen schließt sie nicht ausdrücklich aus. afp

"Mit mir ist eine Steuererhöhung in der nächsten Legislaturperiode nicht zu machen."

CDU-Chefin Angela Merkel

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