Rütteln am Handwerker-Rabatt

Berlin · Die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen kostet den Staat jedes Jahr rund 1,5 Milliarden Euro. SPD und Wirtschaftsfachleute stellen den Bonus, der Bürger zum Beispiel bei Renovierungsarbeiten finanziell entlastet, jetzt infrage. Georg Brenner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer des Saarlandes, hält das für den völlig falschen Weg, sagte er SZ-Redakteur Thomas Schäfer.

 Ein Fliesenleger bei der Arbeit. Doch bei Renovierungsarbeiten geht steuerrechtlich nicht immer alles mit „rechten Dingen“ zu. Mit dem Handwerker-Rabatt soll die Schwarzarbeit bekämpft werden. Der Steuerbonus hat offensichtlich aber Schwächen. Symbolfoto: fotolia

Ein Fliesenleger bei der Arbeit. Doch bei Renovierungsarbeiten geht steuerrechtlich nicht immer alles mit „rechten Dingen“ zu. Mit dem Handwerker-Rabatt soll die Schwarzarbeit bekämpft werden. Der Steuerbonus hat offensichtlich aber Schwächen. Symbolfoto: fotolia

Dass ein Konjunkturprogramm vom Bundestag mit der Maßgabe beschlossen wird, es später auf seine Wirksamkeit zu überprüfen, um nicht das Geld zum Fenster rauszuwerfen, ist vernünftig. Nur was ist, wenn der Gesetzgeber die von ihm geforderten Gutachten zwar bekommt, aber kritischen Hinweisen nicht folgen will? Bei der Absetzbarkeit von haushaltsnahen Handwerkerleistungen könnte es so kommen. Es geht immerhin um 1,5 Milliarden Euro - pro Jahr.

Im Jahr 2006 erfand die damalige schwarz-rote Koalition das System im Rahmen eines "Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung". Vorläufer hatte es schon unter Rot-Grün gegeben. Bis zu 600 Euro konnten direkt von der Steuer abgesetzt werden, jeweils ein Fünftel der Rechnungen für Maler oder Gärtner, Elektromonteure oder auch Kaminkehrer. 2009 wurde der absetzbare Betrag auf 1200 Euro verdoppelt. Rechnungen bis zu 6000 Euro können seitdem also steuerlich geltend gemacht werden. Freilich immer nur der Arbeitsanteil, nicht das Material. Ziel war auch die Schwarzarbeit einzudämmen.

Inzwischen gibt es zwei Studien, die belegen, dass die Subvention nicht wie gewünscht funktioniert. So machten viele Bürger Arbeiten steuerlich geltend, die wie die jährliche Kaminschau ohnehin gesetzlich vorgeschrieben seien und auch gar nicht von Schwarzarbeitern erledigt werden könnten. 2011 stellte der Bundesrechnungshof daher erhebliche Mitnahme-Effekte fest und empfahl die Abschaffung des Rabattes. Selbst der Zentralverband des Deutschen Handwerks schlug, um der Kritik die Spitze zu nehmen, seinerzeit eine Kürzung des Leistungskatalogs um Pflichtarbeiten und einen Selbstbehalt von 200 Euro vor. Doch nichts geschah.

Nun ist eine neue umfangreiche Studie fertig geworden, die der Saarbrücker Zeitung vorliegt. Das Finanzministerium hatte sie einem Wunsch des Bundestages entsprechend in Auftrag gegeben. Die Forscher des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst&Young bestätigen die Mitnahme-Effekte und stellen darüber hinaus fest, dass die Absetzbarkeit der Handwerksarbeiten keine wesentliche Auswirkungen auf Ertragslage und Beschäftigung der Branche gehabt habe - und dass auch der durchaus feststellbare leichte Rückgang der Schwarzarbeit nicht klar auf die Subvention zurückgeführt werden könne.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht dennoch "keinen Handlungsbedarf", wie er gestern erklären ließ. Im Übrigen sei die Frage von Konsequenzen eine Sache des Parlaments. Hintergrund der Zurückhaltung ist auch der alte Grundsatzstreit in der großen Koalition über die Steuerpolitik. Schon in den Koalitionsverhandlungen hatten sich CDU und CSU darauf versteift, dass es keinerlei Steuererhöhungen geben dürfe; dazu zählen aus Unionssicht auch indirekte Zusatzbelastungen durch den von der SPD geforderten Fortfall von Subventionen.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, nutzte das neue Gutachten gestern zwar sogleich, um die Forderungen seiner Partei zu erneuern. "Es besteht ganz offensichtlich Handlungsbedarf", sagte er. Man dürfe die neue Untersuchung nicht ignorieren. Beim Koalitionspartner gibt es jedoch wenig Bereitschaft zu Änderungen. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus (CDU), erklärte auf Anfrage lediglich, man werde sich das Gutachten sehr genau anschauen. "Das Thema der Bekämpfung der Schwarzarbeit bleibt für uns weiterhin auf der Agenda."Herr Brenner, warum gibt es überhaupt einen Steuerbonus für Handwerkerleistungen?

Georg Brenner: A usgangspunkt war, dass der Staat bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit eklatant versagt. Jahr für Jahr werden erhebliche Umsätze am Fiskus vorbei getätigt. Schätzungen zufolgen werden bundesweit pro Jahr deutlich über 300 Milliarden Euro auf illegalem Weg erwirtschaftet. Allein im Saarland werden demnach Aufträge in einer Größenordnung von rund vier Milliarden Euro umgesetzt. Wenn man aber die Bekämpfung der Schwarzarbeit nicht hinbekommt, sollte es doch einen positiven Anreiz geben, damit die Leute legal Aufträge vergeben. Das ist der Sinn des Steuerbonus'. Er müsste richtigerweise Bonus für legale Auftragsvergabe heißen.

Die Politik will jetzt aber offensichtlich am bisherigen System rütteln. Was sagen Sie dazu?

Brenner: Das finden wir alles andere als erfreulich. Wir sind strikt dagegen, den Steuerbonus anzutasten. Nochmal: Es ist endlich mal ein vernünftiger Ansatz, legale Auftragsvergabe zu belohnen und damit Schwarzarbeit zu verhindern. Wir finden sogar und haben das immer gesagt, dass der Bonus eigentlich viel zu klein ist. Er müsste viel höher sein, denn mit 1200 Euro kommt man nicht sehr weit.

Einer Studie zufolge ist die Steuerermäßigung aber auch mit Mitnahme-Effekten verbunden. Offenbar werden vielfach Arbeiten abgesetzt, die gesetzlich vorgeschrieben sind und überhaupt nicht "schwarz" erledigt werden können. Besteht nicht doch Handlungsbedarf?

Brenner: Wenn es an der einen oder anderen Stelle Möglichkeiten zum Missbrauch gibt, dann muss man darüber diskutieren und den Bonus ändern. Dann werden solche Sachen eben nicht mehr gefördert, das ist ja kein Problem. Wenn die Argumente überzeugen, dann ist das zu verhandeln. Aber den Steuerbonus insgesamt abzuschaffen, das halten wir für äußerst kontraproduktiv.

Was würde passieren?

Brenner: Ganz einfach: Die logische Konsequenz wäre wieder mehr Schwarzarbeit. Das kann keiner wollen.

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