Rüstungsexporte bleiben Geheimsache
Karlsruhe · Brisante Rüstungsexporte werden im Geheimen erlaubt und abgewickelt. Drei Abgeordnete klagten dagegen. Rüstungsdeals dürfen aber geheim bleiben, entschied jetzt Karlsruhe.
Zufriedene Gesichter machten die Regierungsvertreter in Karlsruhe : "Damit können wir gut leben", hieß es nach der Urteilsverkündung. Kein Wunder. Hatte das Bundesverfassungsgericht doch dem Bundestag jedes Recht abgesprochen, bei den Milliarden schweren und brisanten Rüstungsexporten mitreden zu dürfen (Az.: 2 BvE 5/11). Die Klage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, Claudia Roth und Katja Keul wiesen die Verfassungsrichter in ihrem Urteil gestern daher ganz überwiegend ab. Ströbele zeigte sich enttäuscht: "Wir haben uns erhofft, deutlich früher informiert zu werden. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt", sagte er in Karlsruhe . "Es ist die Gelegenheit versäumt worden, dem Parlament in einem sensiblen Bereich mehr Rechte zu geben."
Die Parlamentarier befürchten, dass in Kriegs-und Krisenregionen gelieferte deutsche Panzer und Waffen auch gegen die dortige Bevölkerung eingesetzt werden könnten. Sie wollten daher früher informiert werden, um etwa durch eine hitzige Parlamentsdebatte vielleicht noch ein Wörtchen mitreden zu können. Doch dem Urteil zufolge darf der Bundessicherheitsrat und damit ein Teil der Regierung weiter im Geheimen über Exportanträge beraten und entscheiden. Für Vorabinformationen sah das Gericht keinen Raum. Die Richter begründeten das mit der Verfassung und dem Staatswohl. Auch den (Geschäfts-)Interessen der Rüstungsindustrie maßen sie mehr Gewicht bei als den Rechten des Parlaments. So könnten Konkurrenten und andere Länder versuchen, das Geschäft zu beeinflussen, Kunden sich durch das Bekanntwerden ihrer Anfragen brüskiert fühlen. Der Erhalt einer eigenen Industrie sei wichtig für Deutschland auf diesem Gebiet, um nicht vom Ausland abhängig zu sein.
Auch für ein neues parlamentarisches Kontrollgremium sah das Gericht keinen Anlass. Nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens haben die Abgeordneten dann ein Recht auf Informationen und damit eine Möglichkeit zur Kontrolle. Konkrete Anfragen zu bestimmten Deals müssten beantwortet werden, hieß es. Inhaltlich muss die Regierung aber nur sagen, ob ein Geschäft genehmigt wurde oder nicht, welche Rüstungsgüter wohin geliefert werden und wie hoch das Auftragsvolumen ist. Gründe für die Entscheidung des Bundessicherheitsrats müssen nicht veröffentlicht werden. Diesem geheim tagenden Gremium gehören außer Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) noch sieben weitere Minister an, darunter der Außen-, der Verteidigungs- und der Wirtschaftsminister. Die "Kontrolle" der Parlamentarier dürfte damit eher deklaratorisch sein. Selbst das Verfassungsgericht gibt in seinem Urteil zu, dass einmal genehmigte Exporte kaum mehr zu stoppen sind.
Ströbele sieht dennoch auch das Positive seiner Klage: Die schwarz-rote Bundesregierung ist der Opposition in Sachen Transparenz bei Rüstungsexporten bereits ein Stück weit entgegengekommen. Zu dem jährlichen Rüstungsexportbericht gibt es mittlerweile einen halbjährlichen Zwischenbericht. Außerdem verpflichteten sich Union und SPD , die zuständigen Bundestags-Ausschüsse binnen zwei Wochen über abschließend genehmigte Waffengeschäfte zu unterrichten. "Das hätten wir ohne Klage niemals erreicht", ist Ströbele überzeugt.
Weiteres Trostpflaster für die Abgeordneten: Die Bundesregierung hätte ihnen auf ihre Anfrage im Juli 2011 mitteilen müssen, ob der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 200 "Leopard"-Panzern nach Saudi-Arabien genehmigt habe oder nicht. Der Deal ist umstritten, über ihn wird seit Jahren spekuliert. Die Abgeordneten waren damals Medienberichten nachgegangen, die damalige schwarz-gelbe Regierung antwortete nicht auf Anfragen. Das wird die schwarz-rote Koalition jetzt nachholen müssen.