Rüpelhaftes Gegacker im Parlament

Paris · Ein Parlamentarier, der die Rede einer Kollegin in der französischen Nationalversammlung mit Gegacker und Gegurre störte, hat in Frankreich eine Debatte über Sexismus in der Politik ausgelöst.

Wenn der französische Abgeordnete Philippe Le Ray einen Scherz hatte machen wollen, so landete er einen ziemlichen Fehlgriff. Während einer Rede der grünen Politikerin Véronique Massonneau am Dienstagabend machte der 45-jährige Politiker so penetrante Gacker-Geräusche, dass sie ihn entnervt zurechtwies: "Hören Sie auf damit, ich bin doch kein Huhn!" Ruhe kehrte erst wieder ein, als der Präsident der Nationalversammlung, Claude Bartolone, darauf hinwies, der Plenarsaal sei kein Pausenhof. Le Ray kommt sein fragwürdiger Humor teuer zu stehen: Als Sanktion für den "sexistischen Charakter seines Benehmens" wird ihm in diesem Monat ein Viertel seiner parlamentarischen Vergütung gestrichen, das sind 1378 Euro. Darüber hinaus besitzt er nun landesweit den Ruf eines unverbesserlichen Machos.

Der Zwischenfall löste eine Debatte über Sexismus in der französischen Politik aus, wie es sie seit den Sex-Skandalen des ehemaligen IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn nicht mehr gab, dem obsessive Schürzenjägerei nachgesagt wird. Zur nächsten Versammlung kamen die weiblichen Abgeordneten der politischen Grünen und Linken geschlossen zu spät, unter dem Applaus ihrer männlichen Parteifreunde. Sie fühlen sich seit Langem im Visier einiger bürgerlich-konservativer Abgeordneter. Najat Vallaud-Belkacem, Regierungssprecherin und zugleich Ministerin für Frauenrechte, nannte es bedauerlich, dass manche Parlamentarier nach "feuchtfröhlichen Abendessen" kein angemessenes Verhalten bewahren könnten.

Den Verdacht, der gackernde Le Ray sei an dem Abend angetrunken gewesen, hatten mehrere Abgeordnete geäußert. Auch über "ein paar angeheiterte Leute, die sich für witzig halten" hinaus sei "der gewöhnliche Sexismus nach wie vor ziemlich verbreitet" im Parlament, erklärt die Sozialistin Catherine Coutelle, Vorsitzende der Delegation für Frauenrechte. Während das Internet-Magazin Mediapart auf einem "Machoskop" sexistische Vorfälle auflistet, erklären Politologen, viele Politiker empfänden Kolleginnen in ihrer Macht-Sphäre noch immer als Eindringlinge.

Das Wahlrecht für Frauen wurde in Frankreich erst 1945, also vergleichsweise spät, eingeführt und selbst im Jahr 1993 war die Nationalversammlung zu 94 Prozent männlich besetzt. Inzwischen ist der Anteil der Frauen mit 27 Prozent so groß wie nie zuvor. Dennoch klagen Politikerinnen aller Lager, oft herablassend behandelt zu werden. Präsident François Hollande führte als symbolische Maßnahme erstmals Geschlechtergleichheit im Kabinett ein. Alle haben sich allerdings noch nicht daran gewöhnt: Als die grüne Ministerin für sozialen Wohnungsbau, Cécile Duflot, im Juni 2012 ein Gesetzesprojekt in einem blau-weiß geblümten Sommerkleid vorstellte, pfiff es ihr aus den Reihen der Bürgerlich-Konservativen entgegen. "Wir haben sie weder ausgebuht noch ausgepfiffen, sondern bewundert", verteidigte sich später einer der Beteiligten.

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