Rückkehr von der Krankenstation

Berlin. Wolfgang Schäuble und Frank-Walter Steinmeier sind wieder da. Es ist ein bisschen wie ein Comeback, auch wenn der Finanzminister und der SPD-Fraktionschef "nur" nach mehrwöchigen Zwangspausen wieder zum Dienst zurückkehren

Berlin. Wolfgang Schäuble und Frank-Walter Steinmeier sind wieder da. Es ist ein bisschen wie ein Comeback, auch wenn der Finanzminister und der SPD-Fraktionschef "nur" nach mehrwöchigen Zwangspausen wieder zum Dienst zurückkehren. So unterschiedlich die gesundheitlichen Motive für die Auszeiten auch waren, die Erleichterung über die Rückkehr des jeweiligen Protagonisten dürfte im Regierungslager und bei den Sozialdemokraten ähnlich stark ausgeprägt sein. Sowohl der Kassenwart als auch der Oppositionsführer genießen in der Bevölkerung hohes Ansehen. Doch während es sich bei Steinmeier (Foto: dapd) praktisch um ein Comeback mit Ansage handelte, stand die Rückkehr Schäubles (Foto: Action Press) in die Politik zwischenzeitlich stark in Frage. Vor rund vier Wochen musste sich Schäuble in stationäre Behandlung begeben, um endlich eine schwer heilende Wunde im Sitzbereich auszukurieren, die zu den Spätfolgen eines Attentates im Jahre 1990 gehört. Damals feuerte ein Geistesgestörter mehrere Schüsse auf Schäuble ab. Seitdem ist der Christdemokrat vom dritten Brustwirbel an abwärts gelähmt. Der Krankenhausaufenthalt hatte heftige Spekulationen über seinen endgültigen Rückzug ausgelöst. Ein entsprechendes Angebot soll Schäuble Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterbreitet haben. Doch vom Krankenbett aus zog er die Reißleine und ließ entsprechende Medienberichte dementieren. Umso sorgfältiger inszenierte der Badener jetzt seine vorzeitige politische Wiederkehr. Bereits am vergangenen Freitag hatte sich Schäuble in seinem Berliner Amtssitz mit Journalisten der "Bild am Sonntag" zum Interview getroffen. In dem gestern veröffentlichten Text sprach er auch über seine gesundheitliche Verfassung: "Ich kann nicht sofort wieder 150 Prozent geben. Ich muss jetzt erst mal etwas langsamer machen." Das hinderte ihn allerdings nicht daran, bereits an einem Spitzentreffen der Koalition zu strittigen Haushaltsfragen teilzunehmen, das gestern Abend im Kanzleramt stattfand. Auch auf seine politische Zukunft ging Schäuble in dem Interview ein. "Ich frage mich stets: Kann ich den Pflichten dieses Amtes gerecht werden? Dazu gehört auch die Frage der Gesundheit." Solange er überzeugt sei, dass er es könne, mache er die Arbeit mit Freude. "Wenn ich zu einer anderen Überzeugung käme, müsste ich damit auch leben." Und ergänzt: "Alles hat seine Zeit. Ich bin jetzt 68 Jahre alt und seit 20 Jahren querschnittsgelähmt." Das Zitat wirft die Frage auf, wie Schäubles Zeitrechnung genau aussieht. Das verrät der Christdemokrat nicht. Zugleich schlug Schäuble wieder politische Pflöcke ein. Die von der FDP kritisierte deutsch-französische Abmachung zum EU-Stabilitätspakt verteidigte er als alternativlos. Außerdem pochte Schäuble auf eine strikte Beibehaltung des Sparkurses, was wohl ebenfalls auf die Liberalen und deren Steuerpläne gemünzt war. Steinmeier dagegen tritt seine Amtsgeschäfte ohne großes Presse-Vorspiel an. Persönlich war von ihm zuletzt am 23. August zu hören, als der Sozialdemokrat die Öffentlichkeit mit der Mitteilung überraschte, sich eine Niere entfernen zu lassen, um sie seiner schwer erkrankten Frau Elke Büdenbender zu spenden. "Gehen Sie davon aus, dass Sie mich in alter Frische wiedersehen", so verabschiedete sich Steinmeier damals von der politischen Bühne. Seine Entscheidung trug Steinmeier nicht nur parteiübergreifend Respekt und Anerkennung ein. Auch die Sympathie-Werte bei den Bürgern schnellten deutlich nach oben. Sämtliche klinischen Eingriffe verliefen reibungslos, nur ein paar Pfunde hat der 54-jährige Fraktionschef verloren. Umso mehr ist er jetzt in seiner Partei ein Schwergewicht. Viele Genossen mochten sich nach Steinmeiers ruhiger Art gesehnt haben, als der quirlige SPD-Chef Sigmar Gabriel im Fall Thilo Sarrazin oder bei der Atomdebatte zum Teil übers Ziel hinausgeschossen war. Trotzdem soll kein Blatt Papier zwischen die unterschiedlichen Charaktere passen: Morgen wollen Steinmeier und Gabriel auf einer gemeinsamen Presskonferenz eine Bilanz nach einem Jahr Schwarz-Gelb ziehen. Die wird natürlich alles andere als schmeichelhaft ausfallen. So ist der Oppositionsführer also genau zum richtigen Zeit wieder an Deck. Und auch Angela Merkel weiß es garantiert zu schätzen, dass mit Wolfgang Schäuble ihr wichtigster Kabinettskollege den "Herbst der Entscheidungen" prägen wird. "Ich frage mich stets: Kann ich den Pflichtendieses Amtes gerecht werden?" Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach seiner Genesung"Gehen Sie davon aus, dass Sie michin alter Frische wiedersehen."SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier vor seiner Zwangspause

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