Hannover Rot-Grün verliert Mehrheit in Niedersachsen

Hannover · Eine Grünen-Abgeordnete wechselt zur CDU und stürzt die Regierung in die Krise.

 Noch im Juni besuchte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gemeinsam mit der Grünen-Landtagsabgeordneten Elke Twesten (l.) das Kernkraftwerk in Stade. Seit Freitag ist sie für ihn eine Verräterin.

Noch im Juni besuchte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gemeinsam mit der Grünen-Landtagsabgeordneten Elke Twesten (l.) das Kernkraftwerk in Stade. Seit Freitag ist sie für ihn eine Verräterin.

Foto: dpa/Jörg Sarbach

Als die Landtagsabgeordnete Elke Twesten in Hannover vor die Mikrofone tritt, ist sie sich ihrer Sache sicher. Sie habe ihren Austritt bei den Grünen erklärt, ein Schritt der ihr nicht leicht falle, sagt die 54-Jährige am Freitag. „Ich sehe meine politische Zukunft in der CDU“, fährt sie mit ruhiger Stimme fort. Selbstbewusst wirkt die Frau, die soeben eine Regierungskrise ausgelöst hat.

Mit Twestens Wechsel ist die rot-grüne Landesregierung nach mehr als vier Jahren ihre Ein-Stimmen-Mehrheit los. Die CDU/FDP-Opposition könnte versuchen, an die Macht zu kommen. Statt der in fünf Monaten anstehenden Landtagswahl müssen die Niedersachsen nun wohl früher an die Urnen. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) reagiert erbost. „Wenn eine Abgeordnete aus ausschließlich eigennützigen Gründen die Fraktion wechselt und damit die von den Wählern gewollte Mehrheit verändert, halte ich das für unsäglich und für sehr schädlich für die Demokratie.“ Tritt er nun zurück? Nein, sagt Weil: „Ich stelle mich jederzeit gerne dem Wählerwillen. Aber ich werde einer Intrige nicht weichen.“ Sein Plädoyer: eine Selbstauflösung des Parlaments und dann eine schnelle Neuwahl.

Für die Politikerin Twesten, Abgeordnete seit 2008, brachte der Streit um ihren Listenplatz „das Fass zum Überlaufen“ – so sagt sie es. Die Grünen hatten an ihrer Stelle im Frühsommer eine neue Direktkandidatin im Wahlkreis Rotenburg aufgestellt. Ein Grund dafür war möglicherweise, dass Twesten sich in den Augen etlicher Grüner zu offen für eine Koalition mit der CDU gezeigt hatte. Twesten spricht selbst von einem „längeren Entfremdungsprozess“.

Doch was bedeutet das Niedersachsen-Debakel für die Bundesparteien? Die CDU ereilt die unverhoffte Steilvorlage noch halb im Sommermodus. Kanzlerin Angela Merkel ist noch im Urlaub. Generalsekretär Peter Tauber twitterte hämisch: „Jetzt auch in Niedersachsen: #schulzeffekt.“ Genau wie für die Grünen kommt das Manöver für die SPD maximal ungelegen. Schulz tut sich im Wahlkampf ohnehin schon extrem schwer. Twestens Verhalten sei „nicht nur Verrat an den Wählerinnen und Wählern, sondern auch Verrat an Rot-Grün“, postet Schulz bei Facebook. Und SPD-Generalsekretär Hubertus Heil schimpft in die Kameras: „Es ist ein Skandal, dass die CDU in Niedersachsen dieses schmutzige Intrigenspiel mitmacht und versucht, daraus politisches Kapital zu schlagen.“

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