Rosa Rosen aus Nairobi

Nairobi/Schwalbach. Es ist schon 22 Uhr, doch auf der Startbahn des Jomo-Kenyatta-Flughafens dröhnen immer noch die Turbinen abhebender Flugzeuge. Nachtflugverbot? In Nairobi ist das ein Fremdwort. Jomo Kenyatta, benannt nach dem ersten Staatspräsidenten Kenias nach der Unabhängigkeit 1963, hat 24-Stunden-Betrieb. Business rund um die Uhr

Nairobi/Schwalbach. Es ist schon 22 Uhr, doch auf der Startbahn des Jomo-Kenyatta-Flughafens dröhnen immer noch die Turbinen abhebender Flugzeuge. Nachtflugverbot? In Nairobi ist das ein Fremdwort. Jomo Kenyatta, benannt nach dem ersten Staatspräsidenten Kenias nach der Unabhängigkeit 1963, hat 24-Stunden-Betrieb. Business rund um die Uhr. Vom kenianischen Lebensmotto "pole pole" ("langsam, langsam") ist hier keine Spur. Pausenlos werden Frachtflugzeuge beladen, jeder Handgriff sitzt. Die Flugzeuge stehen aufgereiht nebeneinander, die Ladeklappen sind geöffnet. Mit Hubfahrzeugen wird die Fracht in die Maschinen gehievt, im Bauch der Flieger auf Position gerollt und festgezurrt. Auch eine Lufthansa-Cargo-Maschine wird beladen - mit 50 Tonnen kenianischer Rosen.Kapitän Marcus Schwarz (36) macht den Außencheck. Flugoffizier Tim Holderer (30) bereitet im Cockpit die Start-Papiere vor. Die Maschine rollt zum Start. Schubhebel bis zum Anschlag. Um Mitternacht hebt der Frachter ab. Nur siebeneinhalb Stunden später, nach 6623 Kilometern, landen die Rosen in Frankfurt.

Die Blumenzucht ist ein riesiger Wirtschaftszweig in Kenia. Sie ernährt eine halbe Million Menschen, setzt pro Jahr etwa eine geschätzte halbe Milliarde Euro um. Zwei Drittel der in Deutschland verkauften Rosen werden importiert, jede dritte verkaufte Rose kommt dabei aus Kenia. Jetzt ist wieder Hochsaison: Zum Valentinstag werden bundesweit Millionen Rosen an die Lieben verschenkt. Allein die Lufthansa Cargo transportiert in diesen Tagen 1100 Tonnen oder 30 Millionen Rosen nach Frankfurt, aus Kenia und aus Südamerika. Es ist globales Geschäft - und vor allem ein schnelles.

Die Kenia-Rosen wachsen in den großen Gewächshäusern der 70 Farmen rund um den Naivasha-See, der 100 Kilometer nordwestlich von Nairobi im Rift Valley liegt. Oder die Rosen kommen vom Mount Kenia, wo in etwa 2500 Metern Höhe Blumen wachsen, die zu den schönsten überhaupt gehören. Der Name Naivasha stand lange für Ausbeutung der Natur und schwere bis skandalöse Arbeitsbedingungen. Das Ökosystem des zweieinhalb bis acht Meter tiefen Sees war überlastet mit Abwässern. Die Arbeitsbedingungen auf den Farmen wurden scharf kritisiert. Mittlerweile, beteuern die Betreiber, habe ein Umdenken stattgefunden: "Unsere Farm ist Fairtrade-zertifiziert", sagt Peter Francombe, ein weißer Kenianer mit britischen Wurzeln und Chef der Finlays-Farm am Naivasha-See mit 2500 Beschäftigten.

Die Farm gehört zu Finlays, einem 1750 in Schottland gegründeten Konzern mit 50 000 Mitarbeitern, der in vielen Ländern Blumen, Kaffee, Gemüse sowie Tee anbaut und Holzwirtschaft betreibt. Mit der Anlage am Naivasha-See will der Finlay-Konzern Standards setzen: Die Anlage sieht gepflegt aus, saubere Straßen durchziehen das Gelände. Müllhaufen findet man nirgends.

Die Gewächshäuser mit Millionen von Rosen entfalten eine unglaubliche Farbenpracht. In den Produktionshallen bearbeiten Frauen die kurz zuvor geschnittenen Blumen und packen sie in große Kartons. Deutschland nimmt hauptsächlich einzelne Blumen ab, nach Großbritannien werden vor allem vorgefertigte Sträuße verkauft.

Peter Francombe ist stolz auf seine Farm. "Ich habe hier in der Natur den schönsten Job der Welt", schwärmt er. Das Umweltbewusstsein habe in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Um das zu belegen, trinkt Francombe ein Glas Wasser aus der letzten Station der biologischen Wasserreinigung der Farm: "Das Wasser hat Trinkwasserqualität", sagt er.

Im Laderaum des Lufthansa-Fliegers lagern die Rosenkisten bei fünf Grad Celsius und kommen bereits am nächsten Morgen frisch in Frankfurt am Main an. Kaum steht die Maschine still, werden die Blumenkisten entladen, anschließend vom Zoll geprüft. "Dort werden Stichproben entnommen und auf Spritzmittel und Schädlinge geprüft", erklärt Gerhard Ziran, Geschäftsführer der Neu-Isenburger Omniflora, einer Schwestergesellschaft der Finlays-Farm. Omniflora - 75 Mitarbeiter und 35 Millionen Euro Jahresumsatz - ist für den Blumen-Vertrieb im deutschsprachigen Raum zuständig und bezieht pro Jahr rund 120 Millionen Einzelblumen (im Fachjargon "Stiele") aus Kenia, die an Supermarktketten und Großhändler geliefert werden. "Bei uns werden die Blumen nach den Bestellungen sortiert, meist noch eine Nacht zur Beruhigung nach dem Lufttransport im Kühlhaus gelagert, dann gehen sie auf die Reise zu den Händlern", sagt Ziran.

Einer der Großhändler ist Peter Weber, geschäftsführender Gesellschafter der Firma "Saarland Blumen Weber" aus Schwalbach-Hülzweiler, die mit Schnittblumen in der Region jährlich vier Millionen Euro umsetzt. Weber arbeitet seit einigen Wochen eng mit Omniflora zusammen und zieht gerade den Vertrieb von Fairtrade-Rosen für saarländische Blumenläden auf. "Wir sehen hier einen Markt, die Nachfrage nach fair produzierten Blumen ist da."

Eine von Webers Kundinnen ist die Schwalbacher Blumenhändlerin Elke Pohl, die seit 1989 ein Geschäft im Ort betreibt. "Ich bin sofort auf dieses neue Angebot angesprungen und will meinen Kunden auch fair gehandelte Blumen anbieten", sagt Pohl. "Von meiner Bestellung bei Omniflora bis zur Ankunft im Laden dauert es knapp eine Woche, die Blumen halten dann mit einer Nährlösung noch mal etwa eine bis anderthalb Wochen."

Und was kosten die Blumen? Elke Pohl bestellt Rosen mit einem 50 Zentimeter langen Stiel und verkauft sie für genauso viel Geld wie herkömmlich produzierte Blumen - für 1,50 Euro das Stück. "Wir müssen dem Trend zur Nachhaltigkeit Rechnung tragen und diese Angebote nutzen, damit die Leute in den Farmen vernünftig bezahlt werden. Das muss unser Beitrag sein", sagt die Floristin. Und schenkt einer Kundin zum Kennenlernen eine Fairtrade-Rose.

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