Romney geht in den Nahkampf

Der rastlose Blick George Bushs auf die Uhr, der tiefe Seufzer Al Gores, die geistreichen Entgegnungen Ronald Reagans oder Michael Dukakis fehlendes Mitgefühl - das sind die dramatischen Momente wegen denen Präsidentschafts-Debatten in die Wahlgeschichte eingingen

Der rastlose Blick George Bushs auf die Uhr, der tiefe Seufzer Al Gores, die geistreichen Entgegnungen Ronald Reagans oder Michael Dukakis fehlendes Mitgefühl - das sind die dramatischen Momente wegen denen Präsidentschafts-Debatten in die Wahlgeschichte eingingen. Mitt Romney hofft, einen solchen Moment beim ersten Aufeinandertreffen mit Präsident Barack Obama an diesem Mittwoch an der Universität von Denver zu haben, um die Dynamik in dem Rennen knapp einen Monat vor den Wahlen zu verändern. Umfragen sehen ihn national und - wichtiger noch - in den zehn Bundesstaaten, die diesmal auf der Kippe stehen, deutlich abgeschlagen.

Romney flog am Sonntag nach Colorado und verbarrikadierte sich mit seinem engsten Beraterkreis zur letzten Vorbereitung des mit Spannung erwarteten Duells in Denver. Bereits seit dem Sommer widmet er täglich ein bis zwei Stunden der dicken Briefing-Mappe, die seine Berater zusammengestellt haben. Darin finden sich auch eine Reihe griffiger Einzeiler ("Zingers"), die der Kandidat einstudiert, um sie bei passender Gelegenheit gegen Obama abzufeuern.

"Er muss positiv bleiben", rät Ronald Reagans früherer Stabschef im Weißen Haus Kenneth Duberstein. "Die Amerikaner wollen ihren Präsidenten mögen." Auch andere Analysten sehen darin die größte Herausforderung für den hölzernen Kandidaten, der heute schon höhere Negativwerte hat als George W. Bush nach acht Jahren im Weißen Haus. "Keine leichte Aufgabe", findet John Weaver, der John McCain und andere Republikaner beriet. "Aggressiv zu sein und dabei gleichzeitig Einfühlsamkeit rüberzubringen, grenzt an die Quadratur des Kreises."

Der Präsident bereitet sich im benachbarten Nevada drei Tage lang auf die Debatte vor. Anders als Romney braucht er es nicht auf einen dramatischen Moment anzulegen. Obama darf sich nach Einschätzung erfahrener Beobachter vor allem nicht aus der Ruhe bringen lassen. Ohne dabei als zu entrückt, langatmig oder professoral zu erscheinen. Genau das übt er in den Probedebatten in Henderson, bei denen Senator John Kerry die Rolle Romneys übernimmt. Der erfahrene Wahlkämpfer Bill Richardson rät seinem Kandidaten, auf Emotionen zu setzen. Obama sollte "eine Seite aus dem Drehbuch Bill Clintons nehmen und sagen: ich spüre Eure Not".

Im auf 90 Minuten angelegten TV-Duell geht es ausschließlich um die Innenpolitik und Wirtschaftsthemen. Die zweite Debatte im Format einer Bürgerversammlung an der Hofstra Universität in New York (16. Oktober) wird auch internationale Fragen berühren. Während die letzte Debatte in Boca Raton im US-Bundesstaat Florida (22. Oktober) exklusiv der Außenpolitik gewidmet ist.

Wahlforscher zweifeln, ob die Diskussionen Einfluss auf den Ausgang der Wahlen haben. "Die Daten, die uns vorliegen, zeigen, dass sie selten, wenn überhaupt etwas bewegt haben", meint der Politologe der George Washington Universität John Sides. "Sie können mit einiger Gewissheit voraussagen, wo das Rennen nach den Debatten steht, wenn sie wussten, wo es vorher stand."

Die Wahlkämpfer und ihre Berater sehen das naturgemäß anders. Beide Seiten spielen die Erwartungen an ihre Kandidaten herunter. Wer Obamas Wahlkampf-Manager Jim Messina oder Romneys Chefberater Eric Fehrnstrom hört, muss denken, die beiden gingen als Außenseiter in den Schlagabtausch. Der Präsident, weil er angeblich kaum Zeit hatte sich vorzubereiten. Romney, weil er es mit einem begnadeten Redner zu tun habe.

Realistisch betrachtet wiegen sich die Vor- und Nachteile auf. Einig sind sich die Analysten aber in einem Punkt: Für Romney geht es um mehr als für Obama, der einfach nur unbeschadet aus den Fernsehdebatten hervorzugehen braucht.

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