Rösler schaltet die Ampel ab

Berlin · Malader Spitzenkandidat, miese Umfragen: Die FDP geht müde in die Sommerpause vor der Bundestagswahl. Am 22. September soll es dennoch reichen, hoffen die Liberalen. Für Schwarz-Gelb – und sonst nichts.

Umfallen verboten! Als junger Liberaler prägten Philipp Rösler noch die Ausläufer der politischen Zeitenwende von 1982. Damals ließ die FDP die sozialliberale Koalition sitzen, um zur Union überzulaufen. Das führte zur Zerreißprobe der Freien Demokraten, die fortan den Makel der "Umfaller-Partei" trugen. So etwas soll unter Rösler, seit 2011 FDP-Chef und in Niedersachsen streng schwarz-gelb sozialisiert, auf gar keinen Fall passieren.

So wird es nun am 12. September, drei Tage vor der Bayern-Wahl und zehn Tage vor der Bundestagswahl, einen groß inszenierten Wahlaufruf geben, mit dem sich die FDP im Bund klar gegen eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen ausspricht. Dazu wird es Beschlüsse von Präsidium und Bundesvorstand geben. Auf dem Mainzer Schloss werden Rösler und Spitzenkandidat Rainer Brüderle die Kandidaten aus allen Wahlkreisen um sich scharen, um schöne Bilder zu produzieren. Inhaltlich könnte es eine Zehn-Punkte-Liste geben, damit die Wähler wissen, was sie an der FDP haben.

Strategisch also alles in Butter? Keineswegs. FDP-Vize Christian Lindner will zusätzlich einen Sonderparteitag in Berlin, damit die Wahlbotschaft mehr Gewicht bekommt. Daniel Bahr war in der jüngsten Vorstandssitzung dagegen, ebenso Wolfgang Kubicki. Röslers Generalsekretär Patrick Döring verwies auf hohe Kosten für die FDP, die 2013 schon zwei Bundestreffen veranstaltete. Das Geld solle lieber in Mailing-Aktionen investiert werden.

Ex-Chef Guido Westerwelle hatte 2005 und 2009 außerordentliche Parteitage einberufen, um die Anhänger im Endspurt aufzurütteln und klare Koalitionssignale zu senden. 2009 katapultierte der Frust über die große Koalition und das Versprechen "Mehr Netto vom Brutto" die Liberalen auf 14,6 Prozent und in die Regierung mit der Union.

Derzeit sehe es nicht nach einem Sonderparteitag aus, heißt es in der Führung. Ein Umdenken nach der Bayern-Wahl wird aber nicht ausgeschlossen. Die FDP könnte - je nach Wahlausgang in München - vielleicht einen Parteitag als "letzte Patrone" gut gebrauchen, um alle Kräfte für die Entscheidung im Bund am 22. September zu mobilisieren.

Unklar ist bisher auch, wie die von Rösler angekündigte Zweitstimmen-Kampagne konkret aussehen soll. Die Liberalen können wohl kaum "Wer Merkel will, muss FDP wählen" auf ihre Plakate kleben. Denn Schwarz-Gelb dürfte für die CDU-Chefin am Wahlabend nur eine von mehreren Optionen sein. Bei CDU-Wählern hat sich das Niedersachsen-Desaster eingebrannt. Sie brachten bei der Landtagswahl die FDP mit ihren Zweitstimmen auf fast zehn Prozent und CDU-Ministerpräsident David McAllister verlor dennoch seinen Job. Die Union hat dieses Mal nichts an die FDP zu verschenken.

Die Liberalen glauben, dass sie wie in NRW, Schleswig-Holstein und Niedersachsen in den letzten zwei Wochen aus dem Umfrageloch kommen. Für den Wahlabend, 18 Uhr, werden intern acht bis zehn Prozent plus Regierungsbeteiligung ausgerufen. Mit Rösler wäre nur Schwarz-Gelb zu machen. Doch wie reagieren Lindner, Kubicki und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wenn Rot-Grün anklopft?

Gefühlt bilden Rösler, der einigermaßen populäre Außenminister Westerwelle und "Bürgerrechtlerin" Leutheusser derzeit die Top drei in der Partei. Und der Spitzenmann? Rainer Brüderle kam gestern auf eine Krücke gestützt zum ersten TV-Auftritt drei Wochen nach seinem Treppensturz. Die ARD verlegte ihr Sommerinterview für den "Bericht aus Berlin" extra ans Rheinufer nach Mainz, um Brüderle Reisestrapazen zu ersparen. Nach den Brüchen und Operationen gehe es jeden Tag besser, erzählte dieser. "Also ich bin im Kopf voll dabei und man kann auch mit einem Kopfball Tore schießen", sagte der "Mittelstürmer" der FDP. In zwei Wochen will er wieder voll Wahlkampf machen. Die Sexismus-Vorwürfe gegen ihn kommentierte Brüderle nicht. Schlimm sei die Häme in der Anonymität des Internets gewesen. Politiker müssten heute so etwas leider ertragen: "Es gibt nicht nur Sonnenschein, auch Regen." Legt er bei einer Wahlpleite den Fraktionsvorsitz nieder und macht einfach Urlaub? Dafür sei er noch zu jung, antwortete der 68-Jährige fröhlich.

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HintergrundZweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl schalten die Grünen mit Lügen-Vorwürfen gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Angriff. Auf einem kleinen Parteitag versprachen sie gestern 500 000 Jobs und mehr Datenschutz. Der Bundesregierung warfen sie Vertuschung und Tatenlosigkeit im Skandal um die US-Spähaktionen vor. Beim Kampf um die Regierungsbeteiligung demonstrierten die Grünen Entschlossenheit. Gegen Merkel schlugen die Grünen aggressive Töne an. "Wir wollen dieser Bundeskanzlerin ihre notorische Lügenhaftigkeit nicht länger durchgehen lassen", sagte Trittin. Merkel tue so, als würde sie die Forderungen des politischen Gegners übernehmen. Folglich "merkt man ihr gegenüber nicht, dass sie das Gegenteil tut", sagte Trittin. "Wir werden dafür sorgen, dass Frau Merkel aus dem Schlafwagenwahlkampf herauskommt", kündigte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt an. Mit Merkel drohe Deutschland den Anschluss zu verlieren. dpa

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