Richter ändern Farbenlehre beim ZDF

Karlsruhe/Saarbrücken · Die Medien sollen der Politik auf die Finger schauen – das ist der Sinn der Rundfunkfreiheit. Doch kann das funktionieren, wenn Politiker die öffentlich-rechtlichen Sender beaufsichtigen?

Nach der Urteilsverkündung steht der Mann, an dem sich der Streit ums ZDF entzündet hat, hinten im Verhandlungssaal und sieht zufrieden aus. Nikolaus Brender wurde 2009 zum Opfer der politischen Ränkespiele um den öffentlich-rechtlichen Sender. CDU-nahe Verwaltungsräte hatten den Vertrag des ZDF-Chefredakteurs nicht verlängert, obwohl der Intendant es wollte. Nun hat das Bundesverfassungsgericht den Einfluss von Politikern auf den Sender eingeschränkt. "Ich glaube, die Auseinandersetzungen um meinen Fall haben sich gelohnt", sagt Brender. Das Urteil sichere die Unabhängigkeit des Journalismus. "Von daher hat auch die Nichtverlängerung meines Vertrag ihr Gutes gehabt."

Doch würden die neuen Regeln tatsächlich einen zweiten Fall Brender verhindern? Reicht die Beschränkung des Politiker-Anteils auf ein Drittel, um die Sender vor dem Durchgriff der Politik zu schützen? Brender bleibt skeptisch: "Das wird sich zeigen." Seiner Ansicht nach wäre es besser, "wenn die Exekutive überhaupt nicht in den Rundfunkräten säße".

Genau das fordert Verfassungsrichter Andreas Paulus in seinem abweichenden Votum. Er weist auf die Rolle der parteinahen Mitglieder im ZDF-Fernsehrat hin, die sich in den beiden sogenannten Freundeskreisen finden: Dort werden viele Entscheidungen abgesprochen. Auch die "staatsfernen" Mitglieder der Gremien können (mit einer Ausnahme) den Freundeskreisen zugeordnet werden. Sie würden dadurch "politisch eingenordet", rügt Paulus.

Mitglieder von Landesregierungen seien stets versucht, Möglichkeiten zur Durchsetzung der jeweiligen Politik zu nutzen. "Konsequenterweise müssen sie vollständig von der Mitgliedschaft in Fernseh- und Verwaltungsrat ausgeschlossen sein." Das Urteil trage wenig dazu bei, eine direkte Einflussnahme zu verhindern. Der Rostocker Medienrechtler Hubertus Gersdorf ist ähnlich pessimistisch. Bislang sitzen im ZDF-Fernsehrat 44 Prozent Staatsvertreter, im Verwaltungsrat sind es knapp 43 Prozent. Nach dem Urteil dürfen es noch 33 Prozent sein. "Fallen deshalb entsprechende Entscheidungen anders aus? Da habe ich in der Tat so meine Zweifel." Der Professor geht noch einen Schritt weiter als Paulus: Nicht nur Regierungsangehörige, sondern alle Politiker und andere staatlichen Funktionsträger sollten sich bei der Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk heraushalten.

Dann würden die Vertreter gesellschaftlicher Gruppen für die Aufsicht sorgen - wer genau, das müsste der Gesetzgeber regeln. Auch eine andere Möglichkeit hält Gersdorf für denkbar, wenn auch nicht für zwingend: Die Gebührenzahler könnten die Mitglieder der Rundfunkräte wählen - ähnlich wie Versicherte und Arbeitgeber bei den Wahlen zur Sozialversicherung. Ein Modell auch für den Saarländischen Rundfunk? Für die Linkspartei des Saarlandes erklärte deren Abgeordnete Birgit Huonker gestern schon mal, auch eine Diskussion über die Zusammensetzung der SR-Gremien dürfe angesichts des Karlsruher Urteils kein Tabu sein - das sie als ,,richtungsweisende Entscheidung" lobte.

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