Rente mit 63 wird zum Zankapfel

Berlin · Gut 60 CDU-Politiker drohen, die Rentenpläne von Arbeitsministerin Andrea Nahles zu boykottieren. Sie befürchten Sozialbetrug bei der Rente mit 63, wenn Zeiten der Arbeitslosigkeit angerechnet werden können.

 Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner (l.) löste mit ihren Äußerungen über ein mögliches Scheitern des Renten-Modells von Arbeitsministerin Andrea Nahles große Unruhe aus. Fotos: dpa

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner (l.) löste mit ihren Äußerungen über ein mögliches Scheitern des Renten-Modells von Arbeitsministerin Andrea Nahles große Unruhe aus. Fotos: dpa

Bei CDU und CSU gärt es weiter wegen des geplanten Rentenpakets. Ein Scheitern der Reform ist allerdings kaum vorstellbar. In der Union wollte gestern niemand einen Zeitungsbericht dementieren, wonach gut 60 Bundestagsabgeordnete aus den eigenen Reihen mit dem Rentengesetzentwurf von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) auf Kriegsfuß stehen. Ihnen hatte CDU-Vize Julia Klöckner vermutlich aus dem Herzen gesprochen, als sie am Wochenende gegenüber der Saarbrücker Zeitung mit einem Scheitern des Rentenpakets drohte. Nahles handle verantwortungslos, "wenn der Gesetzentwurf handwerklich nicht so ausgestaltet wird, dass ein absehbarer Missbrauch unterbunden wird", so Klöckner. CSU-Chef Horst Seehofer war davon gestern allerdings wenig angetan. Statt die "Keule des Scheiterns" zu schwingen, solle man "vernünftig" mit der SPD reden, gab er zu Protokoll. Im Rentenpaket ist schließlich auch die Verbesserung der Mütterente enthalten. Und dafür hat sich besonders die CSU ins Zeug gelegt. Dagegen ist die "Rente mit 63" das Lieblingsprojekt der SPD. Und genau dieses Vorhaben schlägt Teilen der Union immer stärker auf den Magen.

Bedingung für den vorzeitigen, abschlagsfreien Renteneintritt mit 63 ist der Nachweis von 45 Beitragsjahren, "einschließlich der Zeiten der Arbeitslosigkeit". So steht es im Koalitionsvertrag. In ihrem Gesetzentwurf hatte Nahles diesen Passus dahingehend konkretisiert, dass nur kurze Phasen der Arbeitslosigkeit gemeint sind. Also Zeiten, in denen Arbeitslosengeld I gewährt wird. Längere Phasen, für die ein Anspruch auf Hartz IV besteht, sollen dagegen unberücksichtigt bleiben.

Kritiker in der Union sehen darin ein Einfallstor für die Frühverrentung, denn Betroffene könnten schon mit 61 aus dem Job aussteigen, um mit zwei Jahren Arbeitslosengeld I die Zeit bis zur Rente zu überbrücken. "So lange keine Regelung gefunden wird, die verhindert, dass man aus Arbeitslosigkeit nahtlos in die Rente mit 63 gehen kann, werde ich nicht zustimmen", erklärte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs gestern gegenüber unserer Zeitung.

Laut dem Gesetzentwurf soll die Rente mit 63 bereits zum 1. Juli in Kraft treten. Nach Angaben von Nahles Ministerium würden von der Neuregelung noch in diesem Jahr rund 200 000 Personen profitieren. Kostenpunkt: knapp eine Milli arde Euro. Bis zum Jahr 2030 steigt die Zahl der Begünstigten auf drei Millionen. Die Gesamtkosten summieren sich dadurch auf mehr als 30 Milliarden Euro. Um das Problem der Frühverrentung zu lösen, würden viele in der Union am liebsten komplett auf die Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit verzichten. Die Beamten im Nahles-Ressort gehen davon aus, dass in einem solchen Fall sowohl die Zahl der Begünstigten als auch die der Kosten um ein Drittel geringer wäre. Das heißt: Statt 200 000 Personen kämen im laufenden Jahren nur knapp 130 000 in den Genuss der abschlagfreien Rente mit 63. Und die Kosten lägen nicht bei knapp einer Milliarde, sondern bei etwa 600 Millionen Euro. Dies könnte ein weiteres Argument für die Kritiker sein.

Auch Kanzlerin Angela Merkel ließ gestern durchblicken, dass der Nahles-Entwurf wohl noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Man sei der Überzeugung, "dass es mit der Ausgestaltung dieser Rentenreglung keine Anreize zu einer neuen Frühverrentungswelle geben soll", meinte ihr Sprecher. Übrigens: Selbst wenn gut 60 Unionsabgeordnete am Ende "Nein" zu dem Gesetz sagen würden, wäre die Koalitionsmehrheit immer noch riesig. Von den 631 Parlamentariern im Bundestag stellen CDU, CSU und SPD zusammen 504.

Zum Thema:

HintergrundIm Koalitionsvertrag wurd e vereinbart: "Langjährig Versicherte, die durch 45 Beitragsjahre (einschließlich Zeiten der Arbeitslosigkeit) ihren Beitrag zur Stabilisierung der Rentenversicherung erbracht haben, können ab dem 1. Juli 2014 mit dem vollendeten 63. Lebensjahr abschlagsfrei in Rente gehen. Das Zugangsalter, mit dem der abschlagsfreie Rentenzugang möglich ist, wird schrittweise parallel zur Anhebung des allgemeinen Renteneintrittsalters auf das vollendete 65. Lebensjahr angehoben." dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort