Renaissance des Judentums am Rhein

Das Datum ist an Symbolik kaum zu übertreffen: Am 9. November wird in Speyer der Grundstein für eine neue Synagoge gelegt. Die Jüdische Gemeinde der Rheinpfalz mit Sitz in Neustadt hat diesen Schicksalstag der deutschen Geschichte bewusst gewählt

 Die brennende Synagoge in der Bergstraße in Hannover gegen 2.30 Uhr in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Foto: dpa

Die brennende Synagoge in der Bergstraße in Hannover gegen 2.30 Uhr in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Foto: dpa

Das Datum ist an Symbolik kaum zu übertreffen: Am 9. November wird in Speyer der Grundstein für eine neue Synagoge gelegt. Die Jüdische Gemeinde der Rheinpfalz mit Sitz in Neustadt hat diesen Schicksalstag der deutschen Geschichte bewusst gewählt. 70 Jahre nachdem die Nazis in der Reichspogromnacht in ganz Deutschland Synagogen in Brand steckten und den großen Judenmord begannen, soll neues jüdisches Leben einziehen in die alten Orte der jüdisch-mittelalterlichen Hochkultur am Rhein. Wenige Tage später, am 23. November, legt die jüdische Gemeinde in Mainz den Grundstein für ihr neues Gotteshaus.

Die Wiedererrichtung einer Synagoge in Speyer werde weltweit beachtet, sagte Manfred Erlich, der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde der Rheinpfalz mit rund 570 Mitgliedern. "Speyer hat einen klingenden Namen in der jüdischen Welt." Auch die alte Speyerer Synagoge war in der Reichspogromnacht zerstört worden. Der Grundstein für die neue Synagoge wird auf dem Gelände der nicht mehr genutzten katholischen St.-Guido-Stiftskirche gelegt.

Die Rheinstädte Speyer, Mainz und Worms bildeten vom 11. bis 13. Jahrhundert ein Zentrum des jüdischen Lebens in Europa. In den so genannten Schum-Städten bereicherten namhafte Rabbiner und Gelehrte das geistige Leben, eine wirtschaftliche jüdische Elite trug wesentlich zum Aufschwung der alten Reichsstädte bei. Die mittelalterliche jüdische Gemeinde in Speyer entstand 1084, eine erste Synagoge wurde 1104 eingeweiht.

Auf rund 2,5 Millionen Euro belaufen sich die Baukosten für die neue Speyerer Synagoge. Lange hatten sich die drei an der Finanzierung beteiligten Parteien, die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz, das Land Rheinland-Pfalz und die Stadt Speyer, nicht einigen können.

Die Pläne des Frankfurter Architekten Alfred Jacobi sehen ein modernes Synagogengebäude mit einem Gemeindezentrum vor. Auch in Mainz steht die in jüngster Zeit stark angewachsene jüdische Gemeinde vor einem Neuanfang. 70 Jahre nach der Zerstörung der alten Mainzer Hauptsynagoge soll am alten Standort ein neues Gemeindezentrum entstehen. Wegen der ungeklärten Finanzierung konnten die Pläne des Kölner Architekten Manuel Herz ebenfalls lange nicht umgesetzt werden. Erst Anfang des Jahres gab der Mainzer Stadtrat grünes Licht für das Projekt.

Innerhalb nur weniger Jahre war die Zahl der Mainzer Gemeindemitglieder durch die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion von 70 auf 900 angestiegen, sagte die Mainzer Gemeindevorsitzende Stella Schindler-Siegreich.

Noch überstrahlt die große Geschichte des alten jüdischen Magenza mit seiner tausendjährigen Vergangenheit die Mainzer Gegenwart. In der Vorkriegszeit verfügte die Stadt noch über sechs Synagogen, zwei koschere Metzgereien, jüdische Buchläden und Konditoreien. "Mainz war eine wunderbare Stätte des deutsch-jüdischen Lebens", erinnert sich der 1913 am Rhein geborene Rabbiner Leo Trepp. Bis heute könne ein Mainzer bei jüdischen Gesprächspartnern im Ausland damit Eindruck schinden, wenn er seinen Wohnort nenne, sagte die Gemeindevorsitzende Schindler-Siegreich.

Die Synagogen-Neubauten der jüdischen Gemeinden seien "ein später Sieg über die Nazis", sagt der Speyerer Judaist Werner Transier hörbar erfreut. "Die Nazis haben es nicht geschafft, das Judentum auszulöschen." Auf dem Weg zu neuem jüdischen Leben in Deutschland seien die Neubauten ein erster Schritt, sagte Transier, der Sammlungsleiter Judaica am Historischen Museum der Pfalz in Speyer ist. "Speyer hat einen klingenden Namen in der jüdischen Welt."

Manfred Erlich, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde der Rheinpfalz

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Reichspogromnacht 1938Überall im Deutschen Reich brannten Synagogen, Scheiben jüdischer Geschäfte wurden zertrümmert, Wohnungen verwüstet, jüdische Bürger misshandelt und ermordet. Am 9. November 1938 bekam die Judenverfolgung eine neue Dimension.
Reichspogromnacht 1938Überall im Deutschen Reich brannten Synagogen, Scheiben jüdischer Geschäfte wurden zertrümmert, Wohnungen verwüstet, jüdische Bürger misshandelt und ermordet. Am 9. November 1938 bekam die Judenverfolgung eine neue Dimension.