Rebellen bejubeln Militär-Schlag gegen Gaddafi

Schaulustige betrachten dutzende aufgesprengte Panzer und verkohlte Artilleriegeschütze, zwischen denen Leichen von Kämpfern in Khaki-Uniformen liegen. Noch am Samstag regierte in Bengasi die Angst, tausende flüchteten Richtung Ägypten

Schaulustige betrachten dutzende aufgesprengte Panzer und verkohlte Artilleriegeschütze, zwischen denen Leichen von Kämpfern in Khaki-Uniformen liegen. Noch am Samstag regierte in Bengasi die Angst, tausende flüchteten Richtung Ägypten. Jetzt trauen sich die Bewohner wieder nach El Waifia, 35 Kilometer von der Rebellenhochburg entfernt, um sich von der Wirkung der Luftangriffe der internationalen Koalition gegen die Truppen von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi zu überzeugen.

Respekt vor den Toten

Zwischen den zerstörten T-72- und T-55-Panzern und einem Lastwagen mit Raketenwerfer machen einige Fotos, andere durchsuchen die Taschen der getöteten Kämpfer. Die Rebellen sagen ihnen, sie sollen aufhören und die Ruhe der Toten respektieren, die "auch Muslime sind" und begraben werden müssten. Die bisher militärisch weit unterlegenen Aufständischen suchen in den Trümmern aber auch nach Munition und Sprengstoff, der noch verwendet werden könnte.

Für die Gaddafi-Gegner kamen die Luftangriffe der Alliierten wohl in letzter Minute. Nach klaren Bodengewinnen waren Gaddafis Truppen am Freitag und Samstag auf die Rebellenbastion Bengasi im Osten des Landes vorgerückt. Am Samstag gab es heftige Kämpfe. Im Jala-Krankenhaus im Zentrum Bengasis seien seit Samstag mehr als 90 Leichen eingeliefert worden, sagt Klinik-Arzt Khaled Mugasabi.

Glück gehabt

Ibrahim Mismari hat Glück gehabt. Er wurde durch Schüsse auf der Straße westlich von Bengasi nur verletzt. "Jedes Mal, wenn wir fünf Meter vorrückten, wurden wir Ziel einer Bombe oder einer Salve", berichtet der 35-Jährige vom bis Samstag aussichtslos erscheinenden Kampf gegen Gaddafi. "Die Erde brannte, das Auto wurde zerstört. Wir sind fünf Stunden durch die Wüste gelaufen, um hierher zu kommen."

Nach ersten Angriffen französischer Kampfjets am Samstag beginnt in der Nacht zum Sonntag eine groß angelegte Offensive gegen die Gaddafi-Truppen, an der sich auch Großbritannien und die USA mit Flugzeugen und Marschflugkörpern beteiligen. Ziel ist es insbesondere, die Luftabwehr auszuschalten, um eine Flugverbotszone über Libyen durchzusetzen.

Nachts überfliegt ein Kampfflugzeug auch das Gebiet von Gaddafis Hauptquartier, der Kaserne Bab al-Asisija im Süden der Hauptstadt Tripolis, wie ein Reporter berichtet. Mehrere Explosionen sind zu hören. Flugabwehrgeschütze rund um den Militärkomplex eröffneten das Feuer und hinterlassen mit ihrer Leuchtspurmunition rote Streifen am Himmel.

Tags zuvor hatten sich dort hunderte Menschen versammelt. Sie sollten Gaddafis Hauptquartier offenbar als menschliche Schutzschilde vor Angriffen der Alliierten schützen. Gaddafis Tochter Aischa ruft dabei von einem Geländewagen Hymnen des Lobes auf ihren Vater: "Gott, Libyen, Gaddafi, das ist alles", schreit sie. "Das Volk will den Führer, Muammar." Die Menge, in ihr viele Frauen und Kinder, nimmt die Rufe auf und stimmt ein. Das Staatsfernsehen zeigt auch an anderen Orten Libyer, die zu strategisch wichtigen Punkten ziehen und die grüne Flagge der Revolution schwenken, die Gaddafi vor mehr als 40 Jahren an die Macht brachte.

Schwere Schäden gab es durch die Angriffe der Alliierten laut den libyschen Behörden auch in den Städten Misrata, Suara, Sirte und der Rebellenhochburg Bengasi. "Dieser Angriff hat den Tod von 48 Märtyrern verursacht, der Großteil davon Kinder", berichtete die libysche Nachrichtenagentur Jana. 150 Menschen seien verletzt worden.

Gaddafi gibt sich unbeeindruckt. Er droht den Angreifern am Sonntag mit einem "langen Krieg". Das gesamte libysche Volk trage nun Waffen, sagte er in einer Audio-Botschaft im Staatsfernsehen. "Maschinengewehre, Bomben und Pistolen wurden an alle Libyer verteilt."

Über den Ausgang des Konflikts gibt es für ihn keinen Zweifel. "Wir sind die Sieger." Den Angehörigen der internationalen Koalition versprach er schon am Samstag, das Mittelmeer zum "Schlachtfeld" zu machen. "Jedes zivile oder militärische Ziel" werde dort angegriffen, drohte Gaddafi dem Westen.

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