Raus aus der Steckdose, rauf auf die Autobahn

Berlin. Die Elektro-Autos in den Schmieden der Autobauer und Entwickler brauchen mehr Schub. Das verlangen die deutschen Klimaschutzziele eines schnellen Abbaus der schädlichen Kohlendioxid-Emissionen ebenso wie die ständige und wieder stärker werdende Öl- und Spritpreis-Achterbahnfahrt an den Weltmärkten

Berlin. Die Elektro-Autos in den Schmieden der Autobauer und Entwickler brauchen mehr Schub. Das verlangen die deutschen Klimaschutzziele eines schnellen Abbaus der schädlichen Kohlendioxid-Emissionen ebenso wie die ständige und wieder stärker werdende Öl- und Spritpreis-Achterbahnfahrt an den Weltmärkten. Die Probleme bei der Entwicklung eines auch auf lange Strecken fahrtauglichen Elektro-Fahrzeugs hat die Bundesregierung auf ihrem Weg "weg vom Öl" hin zu erneuerbaren Energien jetzt umfassend dargestellt: In einem 53-seitigen "Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität". Sie hält dabei auch in den kommenden Jahren verstärkte staatliche Hilfen für die Entwicklung und die etwa Mitte des nächsten Jahrzehnts angenommene stärkere Markteinführung des Autos für geboten. Damit stellt sich die Frage: Warum so spät und kurz vor Neuwahlen? Und wie verbindlich sind die Zielmarken und Wegweisungen? Wenig verbindlich, wenn realistischerweise zugleich erklärt wird: "Soweit zusätzliche Aktivitäten auf den Bund entfallen, stehen sie unter dem Vorbehalt der geltenden Finanzplanung und der politischen Entscheidungen in der nächsten Legislaturperiode." Selbst wenn es zur Neuauflage der großen Koalition kommen sollte, müssten die Ankündigungen erst in Gesetze und die Haushaltsplanung gegossen werden. Deren Experten erwarten dennoch eine gewisse Bindewirkung, "weil am Elektroauto eben kein Weg vorbeiführt", hieß es auch in der Union. Heftig gerungen worden sein soll zwischen den zuständigen Ressorts für Wirtschaft, Verkehr, Umwelt und Forschung über den Umfang des Förderkonzepts. Er betrifft jetzt nicht nur das Fahrzeug selbst und die weitere Batterien- und Speicherentwicklung zur Vergrößerung der Reichweiten einer Strom-"Tankfüllung". Ein weitergehender Ansatz umfasst nun auch die Ladeeinrichtungen und vor allem das ehrgeizige Konzept, überschüssige nach Wetterlaune angebotene Windenergie in Autobatterien zu speichern und gegebenfalls ans Netz zurückgeben zu können. Partnerschaften zwischen den deutschen Autobauern und Energiekonzernen sind längst eingefädelt - zum Beispiel will BMW seinen Mini mit Hilfe von Vattenfall an die Strom-"Tankstelle" bringen. Auch die Bundesregierung hat im Rahmen ihres Konjunkturpakets das Problemfeld Elektroauto als Zukunftsmarkt längst ausgemacht und leistet mit einem 500-Millionen-Förderpaket für den Autobereich bereits Staatsbeihilfe. Dennoch muss allmählich ein höherer Gang eingelegt werden, denn die als Ziel bis zum Jahr 2020 ins Auge gefasste eine Million Elektroautomobile (von jetzt 42 Millionen Autos auf deutschen Straßen) sind Experten zufolge nicht gerade berauschend. Signalisiert der späte Regierungsplan eher ein schlechtes Gewissen? Das fragt sich vor allem die Opposition. Zwar gibt es eine Kraftstoff-Strategie und eine Strategie für das mit Wasserstoff betriebene Auto. Es fehlt jedoch ein schlüssiges Gesamtkonzept für den Individualverkehr mit einer verbindlichen Zeitplanung. Das hat auch mit der Verunsicherung bei Biokraftstoffen zu tun, die anfangs der große Hoffnungsträger für klimafreundliches Autofahren waren, dann aber in Ungnade fielen: mit der "Tank/Teller"-Diskussion über die Produktions-Konkurrenzen zwischen Lebensmitteln und Energiepflanzen wie Rapsöl. Damit bleibt Biosprit als dritte Autoenergie-Säule neben dem Batterie- und dem Wasserstoff-Antrieb vorerst geschwächt, weil die Ölwirtschaft technische Grenzen für den Beimischungsanteil zum herkömmlichen Sprit gezogen hat. Unter Druck praktisch in letzter Regierungsminute scheint die große Koalition vor allem aus Sorge geraten zu sein, andere Europäer oder gar China und die USA könnten den deutschen Vorsprung in der Autotechnologie einfach mit eigenen Forschungsarbeiten und Fördermilliarden überrollen. Und deswegen beschwört sie den deutschen "Leitmarkt" auf allen Gebieten beim Elektro-Auto und fordert mehr Tempo von den heimischen Autobauern.

HintergrundGrünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin hat den "Deutschland-Plan" der SPD kritisiert. Das Versprechen von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, künftig die Entwicklung und Produktion von Elektroautos massiv zu fördern, sei unglaubwürdig, erklärte Trittin im Deutschlandfunk. Die SPD habe den Markt für Elektroautos mit Hilfe der Abwrackprämie gerade kaputt gemacht. Trittin sagte, das Geld, mit dem die Elektromobile von morgen gekauft werden könnten, sei gerade ausgegeben worden: "Genau so geht ökologische Modernisierung, geht die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Autoindustrie nicht." dpa

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