Ratlose Polizei und nervöse Politiker

Berlin. Der Mercedes sieht aus wie nach einem Bombenangriff. Verbrannter Lack, geplatzte Scheiben, die Kunststoffverkleidung im Inneraum schwarz verkohlt und stinkend. Ein Mann starrt fassungslos in das Wrack. Die Szene spielt sich nicht in einem Kriegsgebiet ab

 Ein ausgebranntes Auto auf einem Parkplatz in Berlin. Foto: Jensen/dpa

Ein ausgebranntes Auto auf einem Parkplatz in Berlin. Foto: Jensen/dpa

Berlin. Der Mercedes sieht aus wie nach einem Bombenangriff. Verbrannter Lack, geplatzte Scheiben, die Kunststoffverkleidung im Inneraum schwarz verkohlt und stinkend. Ein Mann starrt fassungslos in das Wrack. Die Szene spielt sich nicht in einem Kriegsgebiet ab. Ein kleiner Grillanzünder und ein Feuerzeug reichten aus, um das Auto im bürgerlichen Berlin-Charlottenburg in einen Haufen Metall- und Plastikmüll zu verwandeln. Eine heftige Serie von Brandanschlägen beunruhigt die Bewohner in den sonst so ruhigen Stadtteilen im Westen der Hauptstadt. In früheren Jahren fackelten Linksextremisten und Nachahmungstäter gerne Limousinen, Sport- und Geländewagen von BMW, Audi und Mercedes in den linksalternativen Kiezen Kreuzberg und Friedrichshain ab. Kampf gegen den Kapitalismus im Allgemeinen und gegen zugezogene Westdeutsche im besonderen nannten die Linksautonomen das.Warum nun die Straßen in bislang unbehelligten Stadtteilen von abgebrannten Blechhaufen gesäumt werden, kann auch die Polizei nicht schlüssig erklären. In der Nacht zu Mittwoch brannten 15 Autos, eine Nacht zuvor wurden 18 angezündet oder durch die Hitze beschädigt. Polizeisprecher Frank Millert sagt etwas ratlos: "Es sind nicht nur bestimmte Stadtbezirke und auch nicht mehr nur Luxuskarossen betroffen. Man kann daher kaum einen Rat geben. Man kann ja schlecht einem Touristen oder Bewohner sagen, parken Sie ihr Auto gar nicht mehr auf der Straße."

In den vergangenen Jahren warf die Polizei nach eigenen Angaben einiges an Personal und Technik in die Schlacht gegen die Zündler. Mehr als 100 Polizisten seien jede Nacht unterwegs, sagt Millert. In Friedrichshain baute die Polizei nachts Kameras auf, postierte Lockautos und setzte Fahnder in Kneipen, sogar ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera wurde losgeschickt. Bei vielen tausend Kilometern Straße und 1,2 Millionen Autos in Berlin blieben die Erfolge der Polizei mager. Ein paar Verhaftungen, einige Prozesse mit Freisprüchen aus Mangel an Beweisen und nur wenige Verurteilungen. Soeben gab es eine Bewährungsstrafe für einen linksextremen Brandstifter. Erwischt hatte die Polizei ihn nur, weil Hausbewohner ihn beim Anzünden beobachtet hatten.

Angesichts schockierender Bilder von lodernden Flammen und der Liebe vieler Menschen zum Auto sieht besonders die SPD nervös auf die Abgeordnetenhauswahl am 18. September. Wie wichtig der Senat das Thema nimmt, zeigt die ungewöhnlich schnelle Reaktion des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), der die Menschen gestern zur Wachsamkeit aufrief. Die Polizei alleine könne in einer Metropole wie Berlin nie überall gleichzeitig präsent sein.

Seit Jahresbeginn zählte die Polizei mehr als 250 brennende Autos. Für die Hälfte kämen Linksextremisten als Täter in Betracht, heißt es. Im bisherigen Rekordjahr 2009 gab es 145 Brandanschläge, für die mutmaßlich Linksextremisten verantwortlich waren. Bekennerschreiben, wie es sie früher gab, tauchten bisher nicht auf. Eines ist allerdings klar: Die Hauptstadt steht mit diesem Problem nicht allein da. Im halb so großen Hamburg wurden in diesem Jahr bereits 190 Autos angezündet. In Paris brennen jedes Jahr allein in der Silvesternacht ähnlich viele Wagen ab. Die geschädigten Berliner Autobesitzer wird dies allerdings kaum trösten.

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