Rasanter als in Kindertagen Fliegende Holländerinnen
Erste Tretroller-WM auf deutschem BodenÜber 250 Teilnehmer aus 20 Nationen sind am Wochenende bei der Weltmeisterschaft in St. Wendel an den Start gegangen. Ein Finne holte den Titel in der Königsdisziplin, dem Marathon.Eine Weltmeisterschaft in der Stadt, Sportler aus der ganzen Welt zu Gast in St. Wendel, ein einmaliges Event vor der Haustür - doch haben die St
Erste Tretroller-WM auf deutschem BodenÜber 250 Teilnehmer aus 20 Nationen sind am Wochenende bei der Weltmeisterschaft in St. Wendel an den Start gegangen. Ein Finne holte den Titel in der Königsdisziplin, dem Marathon.Eine Weltmeisterschaft in der Stadt, Sportler aus der ganzen Welt zu Gast in St. Wendel, ein einmaliges Event vor der Haustür - doch haben die St. Wendeler dieses Ereignis verschlafen. Denn die Zuschauerresonanz war mehr als dürftig am Wochenende, als die besten Tretrollerfahrer in verschiedenen Disziplinen um die Titel stritten. Selbst am Samstag, als der Stadtmarathon auf dem Plan stand, verirrten sich nur wenige neugierige Bürger an den Rand der Strecke. "Uhrzeit und Wetter sind ideal, der Sport ist attraktiv und kurios. Es ist eine tolle Geschichte, daher weiß ich nicht, woran es liegt, dass so wenige Zuschauer hier sind", zeigte sich Georg Hoster als einer der wenigen Interessierten entlang der Strecke überrascht.Joachim Sternal ist Mitorganisator der WM. Der Darmstädter bemerkte selbstkritisch: "Uns fehlt einfach die Manpower und die richtige Lobbyarbeit. Außerdem meinen viele, ein Tretroller sei ein Kinderspielzeug." Der 41-Jährige fährt erst seit vier Jahren. Durch einen Freund sei er auf das ungewöhnliche Fortbewegungsmittel gekommen und seitdem Feuer und Flamme für sein Footbike, wie es im Fachjargon heißt: "Es ist faszinierend, wie schnell und weit man mit so einem einfachen Gerät kommt." Trotz der wenigen Besucher hatte er für die Stadt nur Lob übrig, denn diese habe bei der ersten WM auf deutschem Boden die Veranstalter unterstützt.
Hierbei meinte er vor allem den Stadtparcours. Start und Ziel befanden sich in der Werkstraße. Zunächst durften die ganz Kleinen (bis neun Jahre) ran, danach Jugendliche (zehn bis 15) und Frauen, schließlich die Männer. Die Strecke führte durch Park-, Mozart- und Schillerstraße, rein in die Beethovenstraße.
Am Rande der Strecke stand Renate Grillo und feuerte jeden Rollerfahrer lautstark an. "Vor allem diejenigen, die ich kenne, aus Nordrhein-Westfalen und Holland", bemerkte die Düsseldorferin. Seit Mittwoch sei sie bereits in der Stadt gewesen und war von der Innenstadt schwer begeistert. Übrigens war ihr Ehemann Lutz-Jochen Grillo mit 63 Jahren der älteste Teilnehmer im Feld.
Am Ausgang der Beethovenstraße wartete ein Anstieg in der Schmollstraße auf die Teilnehmer. Hier stiegen einige Marathonfahrer ab und schoben, insbesondere der Nachwuchs und die Frauen. Doch ging es bald schon wieder die Bergstraße runter. Am Rande machte es sich Reinhard Scharf vor seinem Haus auf einem Stuhl gemütlich. "Ein schöner, stiller Sport. Das hat mit dem Rollerfahren aus meiner Kindheit nichts mehr gemeinsam", bemerkte der St. Wendeler.
Der elfjährige Nils Jung aus Merzig hatte im Radio davon gehört, dass in der Stadt eine WM über die Bühne geht, und nahm spontan teil. Doch eigentlich sei er Triathlet: "Ich bin im Training und das Tretrollerfahren ist eine schöne Ergänzung dazu."
Über die Fitness aller Teilnehmer von Jung bis Alt zeigte sich Karl-Heinz Fischer erstaunt. "Ich habe mich auch mal im Fahren versucht, doch nach 200 Metern bin ich abgestiegen", erzählte der Polizist. Viel zu tun habe er nicht gehabt, enttäuscht zeigte er sich aber von den wenigen Zuschauern: "Es ist eine super Veranstaltung, sehr familiär. Schade für die Sportler, dass so wenige St. Wendeler hier sind."
Nach drei Tagen im Zeichen des Rollers zeigte sich Veranstalter Torben Maue zufrieden: "Die Rückmeldungen der Teilnehmer und nationalen Verbände waren alle positiv, es gab kaum Verletzte, und das Interesse, auch ausländischer Medien, war vorhanden." Auf das geringe Echo seitens der St. Wendeler angesprochen, antwortete er: "Die meisten können sich darunter keine semi-professionelle Sportart vorstellen, sondern denken nur an ein Kinderspielzeug." St. Wendel. Nach 18 Runden und 42 Kilometern kamen die ersten Frauen der Marathonstrecke während der Tretroller-Weltmeisterschaft in St. Wendel am Samstag ins Ziel. Das Feld wurde von den Niederländerinnen Rosanne Reijne und Wenda Zuiddam dominiert. Beim Zieleinlauf fassten sich die beiden Frauen an den Händen und rollten gemeinsam über die Linie. "Das war eine spontane Idee", sagte Zuiddam. Ihr habe der Anstieg besonders gut gefallen, auf den Geraden sei aber Reijne besser gewesen, daher sei das gemeinsame Einlaufen nur fair gewesen. Derart sportlich waren die Chips, die jeder Teilnehmer bei sich trug und die die exakte Zeit an einen Computer funkten, nicht. Mit 0,041 Sekunden Vorsprung siegte Reijne.
Bei den Männer gab es hingegen einen eindeutigen Sieger: Alpo Kuusisto aus Finnland überquerte mit seinem Roller springend die Ziellinie.
Ins Ziel geschafft hat es Martina Uekermann nicht. "Drei Runden vor Schluss wurde mir schwarz vor Augen. Bevor ich mich und vor allem die anderen in Gefahr bringe, höre ich besser auf", erklärte die Herforderin. Doch habe sie vor einigen Wochen eine ganz besondere Tour hinter sich gebracht: Von Füssen an der österreichischen Grenze bis nach Flensburg in Norddeutschland sei sie mit ihrem Tretroller gereist. In neun Tagen. Uekermann: "Ich wollte schon immer etwas Schräges machen." Weitere Mammutstrecken plane sie schon. lk
Produktion dieser Seite:
Matthias Zimmermann,
Lukas Kowol, Ulrike Otto "Drei Runden vor Schluss wurde mir schwarz vor Augen."
Martina Uekermann, Teilnehmerin aus Herford, warum sie den Marathon abbrach