Ranrobben an die Grünen

Berlin · Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich grundsätzlich offen für Koalitionsgespräche mit den Grünen gezeigt. Die inhaltlichen Gräben sind ohnehin nicht so tief.

Eine hohe Hürde haben die Grünen am Dienstag selbst beiseite geräumt - durch den Abgang von Fraktionschef Jürgen Trittin. Jetzt, wo sich die Ökopartei personell neu formiert, ist auch seitens der Union mehr Bereitschaft für eine Annäherung da. Inhaltlich ist das Trennende ohnehin nicht so groß, wie einige bei CDU und CSU immer noch behaupten.

Wolfgang Schäuble, Minister mit großem Einfluss, machte gestern mit den Avancen den Anfang. Bei Leuten wie dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gebe es Unzufriedenheit mit dem Kurs der Bundespartei, erklärte er. "Vor allem mit Blick auf die Steuerpolitik." Wenn sich dieses Lager bei den Grünen durchsetze, sei eine Koalition eine realistische Option.

Schäuble sagt meist das, was Angela Merkel ebenfalls denkt. Er ist außerdem der erste "Alte" aus der Führungsspitze der Union, der sich zugänglich für die Grünen zeigt. Auch das ist ein Signal, denn es ist die Generation 60plus, die in der CDU nach wie vor die meisten Probleme mit einer Kooperation hat. Schäuble wird die Reaktionen auf seinen Testballon genau beobachten. Uneigennützig dürfte sein Vorstoß aber nicht sein: Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass der Polit-Dino Finanzminister bleiben kann, wenn es zu Schwarz-Grün kommt. Schäuble will unbedingt bleiben. Trotz seines Alters von 71 Jahren.

Bei den Jüngeren in der Union sind die Berührungsängste ohnehin viel geringer oder nicht vorhanden. So wie bei Merkels Stellvertretern Armin Laschet, Julia Klöckner und Thomas Strobl. Alle drei werden nicht müde, behutsam ihrer Partei die Grünen als Koalitionspartner schmackhaft zu machen. Von "Sympathien" für ein solches Bündnis ist dann die Rede, und dass keine Gespräche ausgeschlossen werden dürften. Allerdings solle erst mit der SPD, dann mit den Grünen gesprochen werden. "In dieser Reihenfolge. Das gibt schon die Kleiderordnung vor", so Klöckner zur SZ.

Schaut man auf die Inhalte, sind die Hindernisse weitaus kleiner, als man glauben könnte. Merkels Partei hat den Atomausstieg vollzogen, sie hat den Ausbau der Kita-Plätze forciert, die Wehrpflicht ausgesetzt, selbst das Ende der Massentierhaltung steht für viele auf der Agenda. Auch die Wähler werden sich ähnlicher: Es sind gut verdienende, bürgerlich verankerte, realpolitisch denkende Menschen. Finanzpolitisch sind die Gräben ebenfalls nicht so tief: Die Union will die Neuverschuldung deckeln und Schulden abbauen. Das sind auch Ziele der Grünen. In der Wirtschaft setzen beide auf die Stärkung des Mittelstandes, beim Arbeitsmarkt auf mehr Regulierung. In der Steuerpolitik, beim Betreuungsgeld, der Pkw-Maut und der Energiewende liegt man hingegen über Kreuz. Diese Themen könnten aber Verhandlungsmasse werden - für das ein oder andere Tauschgeschäft.

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