Rätselraten um Koreas Machthaber

Seoul · Ungewöhnliches geschieht in Nordkorea. Der sonst allgegenwärtige Machthaber Kim Jong Un lässt sich seit mehreren Wochen nicht mehr blicken. Die Spekulationen über seinen Zustand schießen ins Kraut.

Nordkorea lässt seine Nachbarn über den Verbleib von Machthaber Kim Jong Un weiter rätseln. Auf ein Erscheinen Kims in der Öffentlichkeit wartete man in der Region am Freitag vergeblich. Es gab keinen Hinweis darauf, dass er nach wochenlanger Abwesenheit zu den Feierlichkeiten am 69. Gründungstag der herrschenden Arbeiterpartei auftrat. Das wird in Südkorea als Zeichen dafür gewertet, dass der junge Diktator ernsthafter erkrankt oder verletzt ist, als bisher angenommen, und längere Zeit zur Erholung brauche. Gerüchte über eine Entmachtung Kims weist Südkoreas Regierung zurück. Kim habe weiter die Zügel fest in der Hand, heißt es aus dem Vereinigungsministerium. Er gehe davon aus, dass "Kim früher oder später wieder auftaucht", sagt ein Experte.

Das Jubiläum wurde deshalb mit Spannung erwartet, weil die Feier als Pflichttermin für den Machthaber des weithin isolierten Landes gilt. Er ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Parteichef. Seit seiner Machtübernahme vor fast drei Jahren war Kim bisher an dem Jubiläumstag im Mausoleum in Pjöngjang erschienen, wo die einbalsamierten Leichname seiner Vorgänger liegen. Der Besuch gilt als wichtiges Ritual der Respektbezeugung.

Nordkorea hat bisher nur ein "Unwohlsein" des Diktators eingeräumt. Sollte er sich etwa schwer verletzt haben oder infolge seines Übergewichts erkrankt sein, könnte dies auch als Zeichen der Schwäche des sonst omnipräsenten Alleinherrschers ausgelegt werden, glauben Beo-bachter. Als der um die 30 Jahre alte Kim an die Macht kam, galt er als unerfahren. Pjöngjangs Propagandaapparat wurde nicht müde, ihn als kundigen Militärstrategen darzustellen. Südkoreanischen Medien zufolge soll der übergewichtige Kim Proble-me mit beiden Beinen haben und an erblich bedingter Gicht leiden. Auch werden ihm eine Vorliebe für deftige Speisen und Alkohol nachgesagt. Die Verschwiegenheit des Regimes in Pjöngjang fördern solche Spekulationen.

Südkoreas Regierung vermutet aber, dass Kim seine Macht gefestigt hat. Prominentestes Opfer war der eigene Onkel Jang Song Thaek, der lange als Nummer zwei hinter Kim gegolten hatte. Doch Kim ließ ihn Ende 2013 hinrichten - angeblich soll er Hochverrat begangen haben.

Doch auch langjährige Beo-bachter wissen nicht, wie es um Kim wirklich bestellt ist. Es gibt die Sorge, dass eine längere Abwesenheit Kims die Instabilität in der Region verstärken könne. Kims Verschwinden kommt zu einer kritischen Zeit. Beide Koreas hatten sich zuletzt wieder angenähert. Es wird davon ausgegangen, das Kim in der vergangenen Woche eine Delegation von Spitzenvertretern als Signal dafür nach Südkorea gesendet hat, weil er die Beziehungen verbessern wolle. Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye hatte Pjöngjang jedoch widersprüchliches Verhalten vorgeworfen. Auf der einen Seite gebe es Provokation, auf der anderen Seite Friedensgesten. Sie wurde von Nordkorea dafür scharf kritisiert.

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