Hannover. Wenn im Harzstädtchen Goslar heute der 47. Deutsche Verkehrsgerichtstag zusammenkommt, werden die Experten auch über erhebliche Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Verkehrsteilnehmer reden: ständige Geschwindigkeitskontrollen auf ganzen Straßenabschnitten, Tauglichkeitstest für ältere Autofahrer, die Einführung von Atem-Alkoholkontrollen im Strafverfahren und Maßnahmen, um Fahrradrowdys besser beizukommen. Dies alles soll den Straßenverkehr sicherer machen. Rund 1500 Fachleute diskutieren in Goslar bis Freitag in acht Arbeitskreisen. Die Erfahrung zeigt, dass viele ihrer Vorschläge tatsächlich zur Änderung von Gesetzen führen. Zu den Themen des Verkehrsgerichtstags gehört unter anderem die so genannte Section Control, eine Art Tempoüberwachung (siehe Infokasten). Die Automobilclubs machen Front dagegen, weil hier ohne konkreten Verdacht eine Datenerhebung erfolgt. Auch das Bundesverfassungsgericht verwarf erst 2007 ein Gesetz aus Schleswig-Holstein, das das automatische Ablesen von Kennzeichen vorsah. Der Verkehrsgerichtstag will nun gleichwohl über "Lösungsmöglichkeiten" diskutieren, weil die Disziplinierung der Autofahrer durch das System als hoch eingeschätzt wird. Bei den heute in Deutschland üblichen "Starenkästen" hält die Wirkung nur wenige hundert Meter an.Pflichtuntersuchungen für ältere Autofahrer und auch Beschränkungen der Fahrerlaubnis auf das vertraute Umfeld sind nach der 2013 in Kraft tretenden 3. Führerscheinrichtlinie der Europäischen Union möglich. Auf dem Verkehrsgerichtstag will der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner vortragen, dass Deutschland mit dem völligen Verzicht auf Pflichtuntersuchungen in Europa "eher die Ausnahme" ist und Gesundheits- oder doch mindestens Sehtests in Ländern wie Schweden, Finnland, Großbritannien und Italien längst die Regel sind. Allerdings lehnen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und die CDU auf Bundesebene solche Tests strikt ab. Vorgestellt wird in Goslar aber auch eine Studie, die einen anderen Weg vorschlägt: Danach können Senioren nachlassende Leistungsfähigkeit in einem ihnen bekannten Umfeld von etwa 50 Kilometern durch Erfahrung und Umsicht kompensieren - aber auch das wäre eine Einschränkung der bislang üblichen lebenslangen Fahrerlaubnis. Atem-Alkoholtests sind bislang in Deutschland nur in Bußgeldverfahren beweiskräftig, nicht aber bei höheren Alkoholkonzentrationen in Strafverfahren. Die Innenministerkonferenz drängt darauf, die Atem-Alkoholanalyse auch im Strafverfahren zuzulassen, die Justizministerkonferenz hat dem widersprochen. Ob nun die Absenkung der gegenwärtigen Promillegrenze von 0,5 Promille und/oder die schnellere Anwendung der Atem-Alkoholkontrolle helfen können, die Zahl der alkoholbedingten Unfälle zu senken - der Verkehrsgerichtstag wird wie viele Male zuvor darüber streiten. Alkohol am Steuer und Tempolimits sind die Klassiker schlechthin für alle Experten, die die Unfallzahlen auf deutschen Straßen senken wollen."Radfahrer im rechtsfreien Raum" lautet die provozierende Ausgangsthese für einen weiteren Arbeitskreis. Die Neigung so mancher Radler, Verkehrsregeln zu ignorieren und sich im wahrsten Sinne des Wortes durchzuschlängeln, lässt die Unfallzahlen steigen. Strafrechtler, aber auch Verkehrsplaner wollen in Goslar Vorschläge vorstellen, wie man Radrowdys bremsen und gleichzeitig das Ziel verfolgen kann, durch mehr Radverkehr die Straßen und die Umwelt zu entlasten.