Putins Krim-Krimi und Merkels Machtprobe

Berlin · Bei der Lösung der dramatischen Krim-Krise geht es auch um Merkels Ruf. Sie gilt als mächtigste Frau Europas mit dem größten Einfluss auf Putin. Macht er weiter, was er will, verliert sie jedoch an Macht und Ansehen.

Beides wirkt glaubhaft. Die Kanzlerin wünscht sich keine Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Doch sie zieht die Strafen durch, sollte Moskau das Hoheitsgebiet der Ukraine über deren Halbinsel Krim hinaus verletzen. Das bedeutet erstens: Russlands Präsident Wladimir Putin hat Angela Merkel mit seiner Machtdemonstration gezwungen, im Einklang mit der EU Härte zu zeigen, was nicht nach ihrem diplomatischen Geschmack ist. Und zweitens: Merkel und die EU könnten die Krim für Kiew verloren geben.

Die Europäische Union hat wohl wenig Hoffnung, dass der Abspaltungskurs des moskautreuen Regionalparlaments auf der Krim von der Ukraine noch gestoppt werden kann. Das zeigte eine Antwort Merkels nach dem EU-Sondergipfel am Donnerstag in Brüssel. Sie wurde gefragt, ob die höchste Stufe des angedrohten Strafplans (die Wirtschaftssanktionen) der EU schon greift, wenn das Referendum auf der Krim zum Anschluss an Russland am 16. März wirklich stattfindet - oder erst, wenn russisches Militär in die Ostukraine einmarschiert. "Hier geht es eindeutig um die Fragen der Ostukraine", machte Merkel deutlich, wie hoch sie die Latte für Wirtschaftssanktionen gelegt hat. Denn ein Einmarsch russischer Soldaten im Osten der Ukraine wäre wohl der Kriegsfall. An einen Krieg glauben hohe deutsche Diplomaten aber trotz der sich zuspitzenden Lage nicht. Moskau stellte am Freitag allerdings klar, dass die Schwarzmeer-Halbinsel in die Russische Föderation aufgenommen wird, wenn die Volksabstimmung auf der Krim pro Russland ausfällt. Nichts anderes wird erwartet.

Merkel begegnet Putins Machtstreben inzwischen ohne jegliche Illusion. Sie weiß, dass nur er ihr Gesprächspartner ist, um den Konflikt zu lösen. Für Merkel steht jetzt viel auf dem Spiel: Vor einer knappen Woche hieß es, Putin habe ihr am Telefon die Mitwirkung in einer Kontaktgruppe mit Kiew zugesagt. Doch dann stand Merkel in Brüssel mit leeren Händen da. Sollte Putin auch weiterhin nicht auf die Minimalforderung eingehen und sich mit Kiew an einen Tisch setzen, wäre Merkels Ruf, die mächtigste Frau Europas zu sein, ramponiert.

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Auf einen BlickGegen alle Sanktionsdrohungen des Westens treibt Russland einen Anschluss der zur Ukraine gehörenden Krim voran. Gut eine Woche vor einem Krim-Referendum stellt Moskau der Schwarzmeer-Halbinsel die Eingliederung in die Russische Föderation in Aussicht. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warf Russland vor, mit seinen Entscheidungen zum Referendum und dem Gesetzentwurf über die Aufnahme "Öl ins Feuer" zu gießen.Unterdessen haben die USA mehr als ein Dutzend Kampfjets zu den Nato-Verbündeten Polen und Litauen geschickt. Zudem passierte am Freitag der US-Zerstörer "Truxtun" auf dem Weg ins Schwarze Meer den Bosporus. Die US-Marine hatte mitgeteilt, das Schiff wolle an einer Trainingsmission mit der rumänischen und bulgarischen Marine teilnehmen.Der russische Energieriese Gazprom hat der Ukraine mit einem Zudrehen des Gashahns gedroht: Wenn die Übergangsregierung in Kiew ihre Schulden von umgerechnet 1,36 Milliarden Euro nicht bezahle, bestehe die "Gefahr der Rückkehr zur Lage wie Anfang 2009", erklärte Konzernchef Alexej Miller. Damals hatte Gazprom die Gaszufuhr an die Ukraine unterbrochen.Prorussische Kämpfer drangen laut der ukrainischen Übergangsregierung am Freitagabend auf der Krim in einen Luftwaffe-Stützpunkt der Ukraine vor und verhandelten mit dem dortigen Kommandeur. Auf der Basis stationierte ukrainische Soldaten hätten sich in Kasernengebäuden verbarrikadiert.afp/dpa

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