Putin scheidet die Geister

Berlin. So viel Aufmerksamkeit hatten die Verleiher des Quadriga-Preises wohl doch nicht gesucht, als sie Russlands Premier Wladimir Putin zum Würdenträger erwählten. Der mögliche PR-Coup um den polarisierenden Preisträger ging nach hinten los, schaffte negative Publicity und zerrüttete das Kuratorium

 Hat Wladimir Putin den Quadriga-Preis verdient? Diese Frage scheidet die Geister. Foto: dpa

Hat Wladimir Putin den Quadriga-Preis verdient? Diese Frage scheidet die Geister. Foto: dpa

Berlin. So viel Aufmerksamkeit hatten die Verleiher des Quadriga-Preises wohl doch nicht gesucht, als sie Russlands Premier Wladimir Putin zum Würdenträger erwählten. Der mögliche PR-Coup um den polarisierenden Preisträger ging nach hinten los, schaffte negative Publicity und zerrüttete das Kuratorium. Wegen der "unterschiedlichen Einschätzung über die Verdienste von Wladimir Putin für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" verließ Grünen-Chef Cem Özdemir gestern das Gremium, dem unter anderem auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und der serbische Präsident Boris Tadic angehören.Auslöser der Diskussion über die Auszeichnung war ein Bericht der "Süddeutschen Zeitung" am Wochenende, in dem Özdemir seine Kritik äußerte. Der Artikel stellte Putins Schaffen einem Zitat der Quadriga-Homepage gegenüber, wonach der Preis "Vorbilder" würdigt, "die Aufklärung, Engagement und Gemeinwohl verpflichtet sind". Der Passus wurde inzwischen gelöscht. Es bleiben die Sätze: "Eine Quadriga honoriert eine besondere staats- oder gesellschaftspolitische Leistung. Eine Quadriga honoriert eine besondere bürgerschaftliche Haltung."

Hektisch organisierte das Kuratorium zwei Krisentreffen. Putin konnte kaum diplomatisch akzeptabel von der Liste der Preisträger gestrichen werden. So entschieden sich die Mitglieder für eine Stellungnahme, die der Kritik an fehlender Beachtung der Menschenrechte in Putins Politik mit keiner Silbe Rechnung trägt. Hingegen verdeutlicht das Statement die internen Konflikte während des Nominierungsprozesses umso mehr: "Im Kuratorium werden im Rahmen dieses Prozesses auch widersprüchliche Positionen und Standpunkte diskutiert und ausgetauscht. Selbstverständlich hat die Findung einer gemeinsamen Haltung auch die Änderung von Positionen zur Voraussetzung. Entscheidungen werden dann im Einvernehmen verkündet."

Obwohl die Einzelpositionen geheim bleiben sollen, wird die Sonderstellung Özdemirs in aller Ausführlichkeit hervorgehoben. Auch die FDP-Beraterin Margarita Mathiopoulos möchte erwähnt wissen, dass sie sich bei der für die Wahl entscheidenden Gremiumssitzung enthalten hätte - wenn sie denn dabei gewesen wäre.

Die restlichen Kuratoren stehen angeblich hinter der Ehrung. "Der russische Premierminister Wladimir Putin wird für seine Verdienste für die Verlässlichkeit und Stabilität der deutsch-russischen Beziehungen ausgezeichnet", heißt es in der Erklärung. Die Weiterentwicklung der Beziehungen nach der deutschen und der europäischen Vereinigung "gehört zu den großen Leistungen Wladimir Putins". Solange "jeder Verweis auf das bereits Erreichte mit dem Hinweis auf Nicht-Erreichtes" quittiert werde, sei eine konstruktive Partnerschaft nicht möglich. Wer genau die Auszeichnung Putins befürwortet, verrät die Internetseite der Quadriga nur zum Teil. Die für das Votum verantwortliche Besetzung tritt ihr Amt offiziell erst noch an.

Seit 2003 wird der Einheitspreis verliehen. Zu seinen Trägern zählen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Tschechiens ehemaliger Staatspräsident Václav Havel und Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Dennoch blieb die Auszeichnung meist eine Randnotiz am Tag der Deutschen Einheit. Das könnte diesmal am 3. Oktober anders sein.

Meinung

Blamage für Deutschland

Von SZ-RedakteurDaniel Kirch

Mag sein, dass Wladimir Putin viel für das deutsch-russische Verhältnis getan hat. In eine Reihe mit den bisherigen Preisträgern wie Michail Gorbatschow oder Vaclav Havel gehört er mit Sicherheit nicht. Die Vergabe des Quadriga-Preises an Putin gibt die ehrenvolle Auszeichnung und ihre Initiatoren daher der Lächerlichkeit preis. Das ist zwar bedauerlich, aber zu verschmerzen. Viel wichtiger ist: Die Entscheidung blamiert die Bundesrepublik, nicht nur bei der russischen Opposition. Nach der Enthaltung im Libyen-Konflikt und dem mutmaßlichen Panzerdeal mit Saudi-Arabien steht Deutschland (wieder einmal) auf der Seite der Autokraten und Unterdrücker - das ist der Einruck, der im Ausland hängen bleiben wird, auch wenn die Quadriga-Vergabe keine staatliche Entscheidung war.

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