Prügel für den Papst

Rom · Wollte er provozieren? Oder hat er wieder bloß drauflosgeplappert? Der Papst empört mit einer Aussage über das Schlagen von Kindern. Ein „Prügel-Papst“ ist er deshalb noch lange nicht. Doch der Missbrauchs-Debatte in der katholischen Kirche schadet es.

Die Aussage verhallte in Rom zunächst relativ unbemerkt. Bei seiner Generalaudienz sprach Papst Franziskus über die Rolle des Vaters bei der Erziehung . Wie wichtig Väter seien, und dass sie präsent, liebend und vergebend sein sollten. Dann kam eine Passage, die später eine Welle der Empörung auslösen sollte. Er habe einen Vater sagen hören, "ich muss meine Kinder manchmal ein bisschen hauen, aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu erniedrigen", sagte Franziskus. "Wie schön", fuhr der Papst fort. "Er hat einen Sinn für Würde. Er muss bestrafen, er macht es aber gerecht und dann geht es normal weiter."

"Der Papst findet würdevolles Kinder-Schlagen okay", wird daraus im Netz, wo sich ein wahrer "Shitstorm" zusammenbraute. "Völlig daneben: Ein ,Klaps' für Kinder sei in Ordnung, so der #Papst", twitterte Grünen-Chefin Simone Peter : "Alltägliche Gewalt gegen Kinder darf so nicht verharmlost werden!". Andere Nutzer schrieben "Wer Kinder schlägt, ist armselig" oder "Ganz so modern ist der Papst doch nicht." Auch als "reaktionärer Armleuchter" wurde Franziskus beschimpft.

Weniger deftig, aber auch kritisch reagiert die Reformbewegung Wir sind Kirche. "Wenn Franziskus hervorhebt, dass der Verzicht darauf, ein Kind ins Gesicht zu schlagen, davon zeuge, dass die Würde des Kindes geachtet würde, liegt er vielleicht nicht ganz verkehrt", sagte eine Sprecherin. "Aber jeder Schlag gegen ein Kind ist einer zu viel."

Vatikan-Experten betonten gestern, dass der Papst keineswegs Gewalt gegen Kinder rechtfertige. "Meiner Einschätzung nach ging es hier um die Würde des Kindes, verpackt in eine echte Erzählung. Das ist keine Verteidigung von Gewalt gegen Kinder, sondern die Betonung ihrer Würde", sagte Bernd Hagenkord von Radio Vatikan . Und Papst-Biograf Marco Politi erklärte: "Der Papst will nicht sagen: Ab morgen haut man wieder!" Vielmehr benutze er eine "volkstümliche" Sprache, um zum Nachdenken anzuregen.

In der Tat hatte der 78-Jährige seit seinem Amtsantritt vor fast zwei Jahren einige Anekdoten parat. Wenn jemand seine Mutter beleidige, würde er seine Faust zu spüren bekommen, sagte der Papst kürzlich, um zu illustrieren, dass auch Meinungsfreiheit Grenzen habe. Kritik an einem vermeintlich gewaltbereiten Papst folgte. Wenig später kam die Aussage, Katholiken sollten sich nicht "wie Karnickel" vermehren. Hier verbuchte der Argentinier zwar bei vielen Menschen als Mann der klaren Worte Pluspunkte. Kinderreiche Familien fühlten sich aber angegriffen. "Es scheint, dass der Papst ein bisschen an der Political Correctness rütteln will, um seine Zuhörer zum Nachdenken zu bringen", sagt der Papst-Experte Politi.

Mit der jetzigen Aussage hat Franziskus' Image als moderner Papst jedoch einen Kratzer bekommen. Das Thema Gewalt gegen Kinder ist zu sensibel. Gerade in der katholischen Kirche, die seit Jahren gegen schwerste Missbrauchsvorwürfe zu kämpfen hat - flapsige Bemerkungen bekommen in diesem Kontext schnell einen falschen Zungenschlag. Es geht nicht nur um sexuellen Missbrauch in katholischen Einrichtungen, sondern auch um Schläge als gebilligte Erziehungsmaßnahme. Exakt vor einem Jahr hatten UN-Experten den zögerlichen Umgang des Vatikans mit Fällen von Kindesmissbrauch scharf kritisiert.

Franziskus hat sich in dieser Sache eine "Null Toleranz"-Politik auf die Fahnen geschrieben. Vor Tagen erst veröffentlichte der Vatikan einen Brief an alle Bischofskonferenzen, in dem er die strikte Umsetzung von Richtlinien gegen sexuellen Missbrauch fordert. Passend dazu tagt seit gestern eine Kinderschutz-Kommission, die Franziskus ins Leben gerufen hatte. Die Prügel-Debatte stellt zwar den Tatendrang des Papstes beim Thema Missbrauch nicht infrage. Sie schadet aber in der öffentlichen Wahrnehmung, was das Engagement im Kampf g egen Gewalt an Kindern angeht.

Zum Thema:

HintergrundSchläge und andere Formen der Misshandlung gehören für die meisten Kinder weltweit zum Alltag. Einer Studie des Kinderhilfswerks Unicef zufolge erleben rund eine Milliarde Kinder zwischen zwei und 14 Jahren regelmäßige Gewalt, das sind etwa 60 Prozent. In Ländern wie Ägypten, dem Jemen und dem Tschad müssen 40 Prozent der Kinder sogar schwere Prügelstrafen erdulden. Die Ansicht, dass körperliche Züchtigung zur Erziehung gehöre, ist laut Unicef vor allem in armen Familien mit geringer Bildung verbreitet. Nur wenige Staaten schützten Kinder gesetzlich vor Gewalt, kritisiert das Kinderhilfswerk. In Deutschland gilt das Bürgerliche Gesetzbuch: "Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung . Körperliche Be strafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig", heißt es in Paragraf 1631. Die "Misshandlung von Schutzbefohlenen" regelt Paragraf 225 des Strafgesetzbuches. Wer Kinder "quält oder roh misshandelt", dem drohen bis zu zehn Jahre Haft. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort